Thema (Teil 4)

zum Teil 3
Die bahnbrechenden Künstler des 20. Jahrhunderts, die die afrikanische und ozeanische Kunst als eine ihrer Wurzeln anerkannten

namentlich z.B. Paul Gaugin

umgaben gleichzeitig die als pathologisch verleumdete Form innerer Exotik [...] mit einer Mauer des Schweigens. Andre Breton, so sensibel er für alle Formen des Wahns auch war, hielt an einer eigenen Kategorie "Kunst der Geisteskranken" fest, was eine Diskriminierung in künstlerischer Hinsicht bedeutet was letztlich zum Bruch mit Dubuffet führte.

So betritt die l´Art Brut

plötzlich und unerwartet 1947 die Kunstszene, ohne dass deren anerkannte Mitglieder sie beachten und wäre es in Form einer kontroversen Auseinandersetzung.
Die Art Brut, so wie sie Jean Dubuffet entdeckt hat, ist inzwischen am Verschwinden. Ein halbes Jahrhundert verging, seitdem er diese Aussenseiter der Kunst als Dissdienten als "Insassen von Krankenhäusern", als "Strafgefangene", als "Leute, die sich in allen Bereichen gegen die gesellschaftlichen Konventionen wehren" bekannt gemacht hatte. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bringen Orte der Isolierung und der Absonderung – psychiatrische Strafanstalten – verschiedene Formen wilder Kunst hervor.
Die Künstler erschaffen an diesen Orten einen traumhaften Mikrokosmos, der es ihnen ermöglicht, symbolisch aus der Gefangenschaft zu entkommen. Später sollten sich Struktur und Aufgaben solcher Einrichtungen ändern. Von dem Augenblick an, da Kreativität zu therapeutischen Zwecken erwartet, gefördert und in künstlerischen Werkstätten angeleitet wird, wandert die – nunmehr neutralisierte – Art Brut aus.

Roman Breier verweist zurecht mit seinen Zitaten auf diese Fälschung von Jean Dubuffet durch Armin Hauer hin.

Die Professorin für Literaturwissenschaft an der Universität Hannover, Elisabeth Lenk bringt es in diesem Zitat aus der Sendung SWR 2 Forum des Südwestdeutschen Rundfunks vom 28.2.2005 sehr gut auf den Punkt, um was es bei dem Diskurs Kunst und Wahn tatsächlich geht:

(Moderator) Das Verrücken der Bedeutung, ist es das bei Dalí?

(Lenk) Es ist ja so bei den Surrealisten, und das gilt auch für Dalí, daß die selber nie gesagt haben, die Verrücktheit sei auf Seiten der Künstler. Sondern sie haben umgekehrt gesagt, daß alle Menschen sich an den Wahnsinnigen ein Beispiel nehmen sollten, und das ist ja auch die Erklärung von Dalí, das Recht des Menschen auf seine eigene Verrücktheit. Und genauso auch mit den Träumen, daß sie ja dieses Recht auf Traum, und die Anerkennung von Traum und Schlaf, gefordert haben für alle Menschen. Und insofern natürlich dann behauptet haben (das nimmt auch ein wenig '68 vorweg), daß in jedem Menschen ein Künstler schlummert und nicht ein Verrückter.


(Emmrich) Bin ich jetzt wahnsinnig? ist die Welt wahnsinnig? ist das Fernsehen wahnsinnig? ist diese Sendung wahnsinnig? Wir wissen es einfach nicht!

Dieses, in unserer Sendung mehrmals wiederholte Zitat stammt von Professor Emmrich, Psychiater an der Medizinischen Universität Hannover, das er in der selben Sendung des SWR2-Forum geäußert hat.


zum Resümee

Gesendet am 14.04.2005 im Dissidentenfunk (www.dissidentenfunk.de)

Dissidentenfunk | jeden 2. und 4. Donnerstag im Monat von 16 bis 17 Uhr im Offenen Kanal Berlin | Antenne 97,2 MHz | Kabel 92,6 MHz | Livestream www.okb.de/radio.htm | Audio-Archiv www.dissidentenfunk.de/archiv