Erpressung mit Todesfolge

Über Schikanen und Zwangsmaßnahmen im Zusammenhang mit Arbeitslosengeld und Sozialhilfe ist gerade in der letzten Zeit viel geredet worden. Es gibt aber eine Gruppe von Menschen, die noch zusätzlichem Druck ausgesetzt sind, weil sie unter gesetzlicher Betreuung stehen. Eine gesetzliche Betreuung wird vom Staat für Menschen eingerichtet, die selbst oder nach Ansicht der Behörden nicht in der Lage sind, sich ausreichend um ihre eigenen Belange zu kümmern. Zwar schreibt das zugehörige Betreuungsrecht eindeutig vor, dass der vom Staat bestellte Betreuer immer und ausschließlich zum Wohle des Betreuten zu handeln hat. Dieser Grundsatz wird aber häufig schon bei der Betreuerbestellung fallen gelassen, nämlich immer dann, wenn sie gegen den ausdrücklichen Willen des Betreuten eingerichtet wird. Die auf diese Weise entmündigten Menschen, müssen sich so einiges von ihren Betreuern gefallen lassen, wenn sie nicht Gefahr laufen wollen, mit Zwangsmaßnahmen, wie Einweisung in die Psychiatrie oder Entzug der finanziellen Mittel zur Gestaltung eines halbwegs selbstbestimmten Lebens konfrontiert zu werden.

Daß sogenannte Betreuer zur Erzwingung der „Zusammenarbeit“ im wahrsten Sinn des Wortes sogar über Leichen gehen, zeigt ein tragischer Todesfall in Hamburg. Dort wurde am 1. Dezember 2004 letzten Jahres eine 40jährige Frau tot in ihrer Wohnung aufgefunden. Als Todesursache wurde durch die ermittelnde Polizei „Tod durch Verhungern“ festgestellt.

Später stellte sich folgendes heraus: Die Frau stand seit 1999 unter gesetzlicher Betreuung. Die Betreuerin hatte unter anderem die Zuständigkeit für die Bereiche Vermögen und ambulante Versorgung. Bei ihrer letzten Vorsprache im Sozialamt am 13. August 2004 wurde der Frau mitgeteilt, daß ihr nur noch für August Sozialhilfe ausgezahlt würde, weil die Betreuerin das Sozialamt angewiesen habe, solange keine Sozialhilfe an die Betroffene auszuzahlen, bis diese den seit längerer Zeit verweigerten Kontakt mit ihr wieder aufnähme.

3 Monate später, am 11. November 2004, wandte sich das zuständige Sozialamt an die Betreuerin mit der Frage, ob die Auszahlung der Sozialhilfe wieder aufgenommen werden solle. Erst zu diesem Zeitpunkt hielt es die Betreuerin für nötig, sich nach dem Verbleib ihrer Klientin zu erkundigen, die sie seit August nicht mehr gesehen hatte. Nachdem die Kontaktaufnahme erfolglos geblieben war, stellte sie am 25. November eine Vermisstenanzeige, woraufhin die Frau am 1. Dezember 2004 von der Polizei tot in ihrer Wohnung aufgefunden wurde.

Um sicherzustellen, dass dieser Akt betreuerischer Willkür nicht ohne Folgen bleibt, hat der Berliner Rechtsanwalt Alexander Paetow am 27.4.05 im Namen der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Anzeige gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung durch Unterlassen und versuchter Nötigung gestellt. Paetow argumentiert, dass durch ein rechtzeitiges Einschreiten der Betreuerin der Hungertod hätte vermieden werden können und dies Bestandteil ihrer Aufgaben als gesetzliche Betreuerin gewesen sei. Außerdem sehe das Betreuungsrecht zwar einen persönlichen Umgang zwischen Betreuer und Betreuten vor, allerdings habe der Gesetzgeber mit gutem Grund verzichtet, Betreuer mit irgendwelchen Zwangsbefugnissen zur Erzwingung des Kontakts auszustatten, weil dies unvereinbar mit der Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlchkeitsrecht sei. Das Verhalten der Betreuerin zielte jedoch darauf ab, die Betreute durch Aushungern zu einer persönlichen Kontaktaufnahme zu zwingen.

Der Dissidentenfunk wird die Entwicklungen in diesem Fall weiter beobachten und gegebenenfalls in den nächsten Sendungen darüber berichten. Aktuelle Informationen dazu finden Sie im Internet unter www.psychiatrie-erfahrene.de.


Gesendet am 12.05.2005 im Dissidentenfunk (www.dissidentenfunk.de)

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