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Sendung vom 10.03.2005
Patientenverfügung

Im Zusammenhang mit der Diskussion des Zwischenberichtes der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" zu Patientenverfügungen, der heute im Bundestag diskutiert wurde, wird zur Zeit vor allem über Sterbehilfe gestritten. Bei all der Aufregung um das Sterben und die Rolle der Ärzte dabei wird jedoch leider zu leicht übersehen, daß Patientenverfügungen nicht (nur) ein Mittel darstellen, die Anwendung medizinischer Maßnahmen am Lebensende zu beeinflussen, sondern daß damit unmißverständlich der Auftrag des potentiellen Patienten an seinen zukünftigen Arzt festgelegt und gleichzeitig auch der Rahmen ärztlichen Handelns bestimmt wird. Dessen Überschreitung würde deswegen den Straftatbestand der Körperverletzung erfüllen und ist deshalb weder mit dem ärztlichen Ethos, noch mit der Verfassung vereinbar.

Vor allem dem letzten Punkt, der Beschneidung der paternalistischen ärztlichen Allmacht, widmen wir den Schwerpunkt unserer Sendung. Neben einer ausführlichen Diskussion des Themas "Patientenverfügung" bringen wir einen Ausschnitt aus der heutigen Plenardebatte im Bundestag.

Zur Übernahme der Schirmherrschaft für die Bundesarbeitsgemeinschaft durch Gert Postel gibt es ein kurzes Interview mit dem Nobelpreisträger in spe.

Außerdem gibt es heute auch etwas zu gewinnen: Dem Erfinder der absurdesten oder pfiffigsten psychiatrischen (Phantasie-)Diagnose spendieren wir zwei Freikarten für das Stück "Maison de Santé" im Tacheles.

01 Einleitung 00:25 Audio
02 Patientenverfügung – Teil 1 01:36 Audio Text
03 (Musik) Animals: It's my life 03:07
04 Patientenverfügung – Teil 2 01:27 Audio
05 (Musik) Edith Piaf: Non Je Ne Regret Rein 02:22
06 Patientenverfügung – Teil 3 04:16 Audio
07 (Musik) Udo Lindenberg: Gesetz 04:17
08 Resolution der BPE zur Patientenverfügung 02:05 Audio Text
09 (Musik) Beach Boys: You still believe in me 02:29
10 Resolution der BPE zur Patientenverfügung – Teil 2 03:33 Audio Text
11 Heintje und der Ödipus-Komplex 00:24 Audio
12 (Musik) Heintje: Wenn ich einst groß bin 02:51
13 Nachrichten 08:07 Audio Text
14 (Musik) Beach Boys: Sloop John B. 02:56
15 Gert Postel ist Schirmherr der BPE 01:44 Audio Text
16 Interview mit Gert Postel 05:33 Audio
17 (Musik) Nena: Der Bus is' schon weg 00:20
18 Gewinnspiel: Die absurdeste psychiatrische (Phantasie-)Diagnose 01:53 Audio Text
19 (Musik) Infected Mushroom: Psycho 06:30
20 MdB Kauch (FDP): Zwangsbehandlung ist Körperverletzung 05:12 Audio Text
21 Veranstaltungshinweis: Maison de Santé 01:27 Audio Text
Einleitung
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Patientenverfügung – Teil 1
Fragen: Roman Breier
Antworten: René Talbot
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Warum ist die gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung so wichtig für Psychiatrieerfahrene?

Die gesetzliche Regelung dafür wird zwar vor allem an der Frage der Sterbephase eines Menschen diskutiert, aber die Thematik, die zugrunde liegt, ist genau die gleiche, die in der Psychiatrie verhandelt wird, nämlich, ob Menschen sich ihrem Willen entsprechend medizinische Handlungen verbitten können bzw. ob ihr Wille überhaupt krank genannt werden kann, und sie deswegen, weil ihr Wille krank genannt wird, mit Zwang behandelt werden können.

Wenn man das ausschließen will, dann wäre natürlich eine gesetzliche Regelung zur Patientenverfügung, die verbindlich ist, ein ganz großer Schritt für uns, denn dann könnte man im vorab sich verbitten, daß man zwangsbehandelt wird. Man könnte damit natürlich auch das ganze Modell von Geisteskrankheit unterlaufen. Denn, wenn es eine reine Frage meines Willens ist, daß ich vorab sage, ich will nicht geisteskrank sein, dann kann ich es auch nicht mehr werden, weil ich nicht mehr mit Zwang und Gewalt geisteskrank gemacht werden kann. Dann zerbricht auch das ganze Modell von Geisteskrankheit, denn es ist eben keins, was objektiven Kriterien genügen würde, wie z.B. bei Beinbruch oder anderen Krankheiten, wo Mikroben, Viren oder veränderte Gewebe als Grundlagen da sind, sondern es ist eben eine reine Zuschreibung durch einen Arzt. Wenn ich mir die verbitten kann, dann fällt zentral das ganze Monopol, überhaupt Geisteskrankheit verteilen zu können.

Was sind die Kernfragen, um die gestritten wird?

Im Grunde genommen, liegen der ganzen Problematik zwei Kernfragen zugrunde: Die eine ist die, wer über den Körper eines Erwachsenen verfügt. Ist es nur der Betreffende selber oder können dazu durch den Staat und die Gesellschaft Regelungen getroffen werden? Damit ist natürlich zugespitzt dann die Frage, wer bei einer Selbsttötung darüber verfügt: Ist es nur die Person selber oder ist es doch noch  -- in der einen oder anderen versteckten Form, wenn man es nicht offen sagen will -- die gesellschaftliche Norm und damit auch die in Gesetze gegossene Regel, daß das bestraft werden soll.

Damit in gewisser Weise verknüpft ist, daß es um das Wohl geht: Wer bestimmt das Wohl einer Person? Sicherlich wird man in einer moderneren Auffassung immer sagen, das sie es natürlich nur selber ist, daß ein subjektives Empfinden dahintersteht; das, was ich als Wohl für mich empfinde ist noch lange nicht das, was andere als Wohl empfinden. Und wiederum hängt damit unmittelbar die Frage zusammen, was jemand, der dann für mich bestimmen soll (ein gesetzlicher Betreuer), tut und nach welchen Prinzipien er handelt. Handelt er nach dem Wohl, so wie ich es selber bestimmt habe, also nach meinem Willen, den ich vorher festgeschrieben habe in der Patientenverfügung, oder handelt er nach einer allgemeinen gesellschaftlichen Norm.

Wer sind die Gegner der von Justizministerin Zypries vorgeschlagenen Gesetzestextfassung?

Da hat sich inzwischen eine ganz merkwürdige Koalition herausgebildet. Das eine sind auf alle Fälle die christlichen Kirchen, die in einer traditionellen Auslegung doch nicht wollen, daß der Mensch über seinen eigenen Körper verfügen soll; daß er letztendlich ein schuldbeladenes Wesen sein soll und nicht sozusagen schuldlos, unentschuldigt und ohne Schmerz und Peinaus diesem Leben entweichen können soll. Das ist noch ein Hintergrund, den man, glaube ich, beachten muß.

Zweiter Koalitionspartner sind sicherlich die Krankenhausärzte im Marburger Bund, die sich gegen den Präsidenten der Bundesärztekammer, Dr. Hoppe, gestellt haben. Die sich natürlich insbesondere auch in der Psychiatrie in der stationären Unterbringung diese inquisitorische Peitsche,Zwang und Gewalt Leute festzuhalten,  nicht aus der Hand nehmen lassen wollen.

Gibt es noch andere Argumente der Gegner des Gesetzesentwurfes?

Ja, sie verfolgen immer eine bestimmte Argumentationsschiene: Sie behaupten, durch eine Regelung zur Patientenverfügung würde in irgendeiner Form aktive oder passive Sterbehilfe gefördert werden. Beides trifft eigentlich nicht für den Vorschlag zu, den die Justizministerin gemacht hat. Denn auch dann, wenn ich eine ärztliche Hilfeleistung unterlasse, ist natürlich immer noch wieder entscheidend, auf wessen Willen hin das geschieht. Ist es der Wille der Person, die untersagt (wenn sie es nicht mehr selber sagen kann, durch eine vorherige Erklärung, die Bevollmächtigter oder Betreuer durch oder umsetzen muß), daß auf ihren Willen hin eine medizinische Hilfeleistung unterbleibt, dann ist es nichts anderes, als ein von ihr erwünschter Sterbeprozeß. Wenn das der Fall ist, ist es keine passive Sterbehilfe, sondern es ist ein erwünschter Sterbeprozeß, der nicht gegen den Willen der Person verhindert wird. Die Person verstirbt dann an ihrer Krankheit und nicht an der unterlassenen Hilfeleistung. Das ist ganz wichtig zu bemerken, daß da immer falsche Argumente unter der Hand verwendet werden, um offensichtlich etwas anderes zu bewirken.

Das wird normalerweise dann immer noch weiter dramatisiert, indem behauptet wird, das wäre der Einstieg in die aktive Sterbehilfe, womit dann nicht ein Unterbleiben von medizinischer Behandlung auf den eigenen Wunsch gemeint ist, sondern eine Tötung auf Verlangen, also daß auf den Wunsch des Betreffenden hin die Person ein Giftcocktail oder ähnliches bekommt. Das hat nichts zu tun mit dem, was unter dem Wort Euthanasie hier dauernd verhandelt wird. Der systematische ärztliche Massenmord und die umfassenden Machtausübung durch Ärzte ist ja gerade das Gegenteil, von dem, was mit der Patientenverfügung erreicht werden soll, nämlich die Begrenzung der ärztlichen Macht. Damit ist es die perfidest mögliche Argumentation, die man in dieser Frage bringen kann.

Was können wir denn den Gegnern der Patientenverfügung antworten?

Ich denke, man muß immer wieder sehr genau untersuchen, was gesagt wird. Zentral muß man ihnen antworten, daß wir davon ausgehen und daran festhalten, daß über den Körper eines Erwachsenen nur die Person selber entscheiden kann. Diese Entscheidung muß verbindlich und bindend sein. Und es davon keine Ausnahmeregelung geben. Denn jede Ausnahmeregelung wäre in der einen oder anderen Weise ein Übergriff, ein Eingriff, der genau das bewirkt, was die Gegner behaupten, damit verhindern zu wollen, nämlich eine Entwürdigung und Entmenschlichung der Person, indem ihr Wille gebrochen wird.

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Patientenverfügung – Teil 2
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Patientenverfügung – Teil 3
Länge 04:16
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Resolution der BPE zur Patientenverfügung
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Nach einem Urteil des Bundesgerichtshof aus dem Jahr 2003 soll nun die Patientenverfügung gesetzlich so verankert werden, dass Würde und damit einhergehende Selbstbestimmung in allen menschlichen Lebensphasen geachtet werden.

Diese grundgesetzliche Forderung kann nur erfüllt werden, wenn

  1. die Patienten-Verfügung auch in nichttödlichen Krankheits-Phasen uneingeschränkt gilt
  2. die Rechtsverbindlichkeit der Verfügung gewährleistet wird: Betreuer wie Bevollmächtigte müssen an den schriftlich erklärten Willen gebunden sein
  3. der im Referentenentwurf der Justizministerin vorgeschlagene § 1904 (4) wortwörtlich erhalten bleibt : "Ein Bevollmächtigter kann in eine der in Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 genannten Maßnahmen nur einwilligen, sie verweigern oder die Einwilligung widerrufen, wenn die Vollmacht diese Maßnahmen ausdrücklich umfasst und schriftlich erteilt ist. Die Genehmigung des Vormundschaftsgerichts ist nicht erforderlich."

Eine medizinische Behandlung gegen den erklärten Willen ist eine körperverletzende Zwangsbehandlung und mit den Menschenrechten unvereinbar. Als einziger Ausnahme dürfen bei ansteckenden Seuchen Internierungen vorgenommen werden, aber auch dann nur in sehr restriktiven Grenzen, wie die HIV Diskussion gezeigt hat. Zwangsbehandlung - nicht nur Internierung - ist aber auch dann mit den Menschenrechten unvereinbar.

zum Teil 2

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Resolution der BPE zur Patientenverfügung – Teil 2
Länge 03:33
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zum Teil 1

Die Diskussion über die Patientenverfügung wird an zwei Punkten lebhaft geführt: selbstverständlich muss der vorher erklärte Wille auf Unterlassung medizinischer Behandlung in nichttödlichen Krankheitsphasen gelten, wenn anerkannt wird, dass er in tödlichen Phasen gelten soll.

Bei der Unterlassung von medizinischer Behandlung muss unterschieden werden, auf wessen Wunsch sie geschieht: Wird sie vom Betroffenen entweder unmittelbar oder bei Nichtäußerungsfähigkeit durch vorherige Erklärung gewünscht, so kann dies auch in einem Sterbeprozess keine passive Sterbehilfe genannt werden, weil die Person an der Krankheit und eben nicht der unterlassenen Hilfeleistung verstirbt. Es handelt sich dann um einen von der betroffenen Person erwünschten Sterbeprozess, der mit dem menschlichen Grundrecht eines Erwachsenen auf seinen eigenen Körper und damit auch auf bestrafungsfreie Selbsttötung (bzw. dessen Versuch) einhergeht. Passive Sterbehilfe bzw. unterlassene Hilfeleistung liegt nur dann vor, wenn die Hilfe zwar erwünscht, aber nicht gewährt, bzw. unterlassen wird. Sie ist und bleibt - und das muss auch so bleiben - wie aktive Sterbehilfe bzw. die Tötung auf Verlangen strafrechtlich sanktioniert.

In diesem Zusammenhang in Deutschland von Euthanasie zu reden, ist eine Verhöhnung der Opfer des systematischen ärztlichen Massenmordes zwischen 1939 und 1948, der der Prototyp für die nachfolgende systematische Vernichtung der europäischen Juden, Roma und Sinti war. Denn der NS-Euphemismus "Euthanasie" unterstellt, der Mord wäre auf Verlangen der Opfer erfolgt. Wenn Kritiker der Patientenverfügung also dieses Wort für ärztlichen Massenmord gegen jene verwenden, die Patienten vor ärztlichen Zwangsmaßnahmen verteidigen wollen, dann entlarvt sich nur deren eigene perfide Argumentation.

Durch die geplante Gesetzgebung zur Patientenverfügung sollte eine Selbstverständlichkeit in Gesetzesform gegossen werden: Das alleinige Verfügungsrecht eines erwachsenen Menschen über seinen eigenen Körper und die Beschneidung der ärztlichen (All)macht auf ein dem Arzt-Patient-Verhältnis angemessenes Mass, das stets die Selbstbestimmung des Patienten gewährleistet, sie also zu keinem Zeitpunkt in Frage stellt.

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V., die Irren-Offensive e.V. und der Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V. rufen deswegen auf, sich für die Erfüllung der oben genannten Forderungen im Gesetz einzusetzen.

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Heintje und der Ödipus-Komplex
Länge 00:24
In unserer Reihe "Psychiatriekritische Späße aus dem Volk" kommt jetzt ein Lied von Heintje, "Wenn ich einst groß bin". Einen ihrer zentralen Mythen bzw. Mystifikationen nennen die Psychoanalytiker "Ödipus-Komplex". Offensichtlich handelt es sich aber tätsächlich um die Bedürfnisse einer breiten Mammi-Mehrheit, war doch Heintje mit solchen Liedern in den Siebzigern ein Top-Hit.
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Nachrichten
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"Jeder kann über sich und seinen Körper frei verfügen. Jede Einschränkung dieses Rechts ist verfassungswidrig."

Unter dem Titel"Ein Zwang zum Leben wäre Körperverletzung" veröffentlichte die Frankfurter Allgemeine Zeitung am 8. März 2005 ein Interview mit der Bundesjustizministerin Zypries zum Thema Patientenverfügung.Wir zitieren daraus:

Klaus Kutzer, der früher als Richter am Bundesgerichtshof und zuletzt als Vorsitzender Ihrer Expertenkommission zur Patientenverfügung tätig gewesen ist, sagt, das deutsche Sterbehilferecht sei weitaus liberaler als vielfach angenommen. Stimmt das?

Klaus Kutzer hat recht. Aber man muß die verschiedenen möglichen Handlungen im Sterbeprozeß klar voneinander unterscheiden. Die aktive Sterbehilfe, also eine gezielte Herbeiführung des Todes durch Dritte, ist in Deutschland verboten und bleibt verboten. Darüber wird nicht debattiert.

Wir reden über andere Konstellationen, immer ausgehend von der Erkenntnis, daß jeder über sich selbst und seinen Körper verfügen kann. Daher setzt jede Behandlung die Einwilligung des Patienten voraus, und jeder ärztliche Eingriff gegen seinen Willen ist strafrechtlich als Körperverletzung zu qualifizieren. Wenn ein Mensch bei vollem Bewußtsein verlangt, daß die Maschinen, die ihn am Leben erhalten, abgeschaltet werden, ist das Abschalten erlaubt.

Der Patient ist frei, eine Behandlung abzulehnen, auch um den Preis des eigenen Lebens. Wenn eine Schmerztherapie zugleich - quasi als unbeabsichtigte Nebenfolge - das Leben verkürzt, wäre sie, solange die Schmerzlinderung das Ziel ist, ebenfalls erlaubt. Mediziner sagen mir aber, daß eine gute Schmerztherapie nicht lebensverkürzend wirken muß. Denn ein Patient, dem man den körperlichen Stress von extremen Schmerzen erspart, ist insgesamt stabiler.

Jenseits historischer Fragen könnte sich aber doch die Ansicht durchsetzen, daß es besser sei, durch die Spritze eines Arztes schnell und schmerzarm zu sterben, als nach dem Abschalten von Maschinen auf das Organversagen zu warten.

Das sehe ich nicht so. Natürlich kann und muß man die Schmerzen lindern und dem Menschen seine letzten Stunden erleichtern. Aber das Sterben selbst ist ein Prozeß, der für jedes Individuum bedeutet, Abschied von Menschen und von Dingen zu nehmen, und der sich, auch wenn er natürlich verläuft, oft hinzieht. Die Vorstellung, ein rascher Tod sei der menschlichste, ist nicht richtig.

Sie haben den Gesetzentwurf nun unter Druck des Parlaments zurückgezogen, das Verfahren liegt jetzt in der Hand der Regierungsfraktionen. Eine Niederlage?

Nein. Ich habe den Gesetzentwurf nicht zurückgezogen, denn er war ja noch nicht einmal im Kabinett. Der Entwurf bleibt Grundlage für die weitere Debatte, er wird nun über die SPD-Fraktion in den Bundestag eingebracht. Offenbar waren einige Abgeordnete davon ausgegangen, daß Gesetzentwürfe der Bundesregierung im Parlament nicht mehr geändert werden könnten. Dabei hat noch kaum ein Gesetzentwurf den Bundestag so verlassen, wie er eingebracht wurde.

Wird es noch in dieser Legislaturperiode eine Gesetzesnovelle geben?

Ich würde es begrüßen, wenn wir das schaffen würden. Wir hatten angestrebt, das Gesetz in diesem Jahr zu erlassen. Aber das hängt vom Parlament ab. Es gibt auch einige Abgeordnete, die an der geltenden Rechtslage nichts ändern wollen.

Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage, ob Patientenverfügungen, die ein Ende der Behandlung anordnen, auch dann zu respektieren sein sollen, wenn eine Erkrankung noch keinen irreversibel tödlichen Verlauf genommen hat, wenn ein Mensch beispielsweise in ein Wachkoma gefallen ist und in diesem Zustand noch einige Jahre leben kann. Soll man die Reichweite von Patientenverfügungen auf tödliche Krankheiten begrenzen?

Ich bin immer noch der Überzeugung, daß es das Recht eines jeden Menschen ist, über sich und seine Behandlung zu entscheiden. Eine Legitimation des Staates, dieses Selbstbestimmungsrecht einzuschränken, kann ich nicht erkennen. Viel mehr noch: Ich halte eine solche Einschränkung für verfassungswidrig.

Die Forensik versenkt sich selbst

Die Taz Ruhrgebiet berichtet am 3.März unter dem Titel: Nicht jeder Täter ist heilbar:

500 Experten diskutierten auf einem Kongress in Eikelborn, wie Forensik Patienten zu behandeln sind. Auch die Erkenntnis, dass einige Störungen nicht zu heilen sind, ist neu.

Weiter heißt es:

Unter Wissenschaftlern hält sich aber eine gewisse Skepsis, ob die aller Orten bestehende Überbelegung der Maßregelvollzugs-Kliniken tatsächlich bald ein Ende hat. Denn nach wir vor bestimmen steigende Einweisungszahlen und verlängerte Verweildauern die Entwicklung.

Halten wir also fest - immer mehr Menschen werden in die forensische Sonderstrafanstalt eingesperrt und sie werden dort immer länger willkürlich festgehalten.

Aber jetzt kommt der Knaller, mit dem sich die Forensik selbst die Beine wegzieht:

Herrschte in früheren Jahren der feste Glaube daran, jeder psychisch kranke Täter sei therapierbar, so glauben die Fachärzte inzwischen, dass es für manche auf absehbare Zeit keine Heilung gib. Diese Langzeitpatienten werden in NRW seit einigen Monaten auf besonderen Stationen untergebracht, wo sie nicht mehr behandelt werden. Die Chefärztin verteidige das Konzept. Menschen, die im Maßregelvollzug therapiemüde geworden seien oder die alles schlecht redeten, würden Therapieerfolge der übrigen Klienten negativ beeinflussten. Ein separater Lebensraum ohne Therapiedruck mit Arbeitsmöglichkeiten und einem strukturierten Tagesablauf sei für diese Patienten sinnvoll

Damit hat die forensische Psychiatrie ihre Kapitulation bekannt gegeben, denn wenn bestimmte Menschen nicht therapierbar sind, dann sind sie auch nicht krank, und die Forensik entlarvt sich nur als der verschärfte Knast, der sie ist - ein Zuchthaus mit menschenverachtenden Foltermethoden. Gleichzeitig fällt sie mit dieser Erklärung, genau im Gegensatz zu der behaupteten angebl. Modernität ihrer Methoden, auf die biologistische Ideologie und den rassistischen Wahn der 30er Jahre zurück, als sie von Kriminalität als Erbkrankheit faselte.

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Gert Postel ist Schirmherr der BPE
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PRESSEERKLÄRUNG

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE) freut sich bekannt geben zu dürfen, dass Gert Postel die Schirmherrschaft für die Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener übernommen hat. Gert Postel hat mit seinen existentiellen Experimenten mehrmals den Beweis dafür angetreten, dass es kein psychiatrisches Wissen gibt, sondern es sich nur um eine Täuschung handelt, die in betrügerischer Weise auf der Vorspiegelung von Wissenschaftlichkeit durch einen Jargon beruht.

Als gelernter Postboten war er hinreichend gebildet, um weder von der Diensttaufsicht, noch den ärztlichen Kollegen je hinterfragt zu werden, und jahrelang den Oberarzt einer Psychiatrie zu spielen, ja sogar zum Chefarzt einer forensischen Psychiatrie befördert zu werden und fachärztliche Approbationen zu beurkunden. Damit ist es ihm gelungen, einen ganzen medizinischen Bereich der reinen Scharlatanerie zu überführen, und für diesen wiederholten Beweis hat er den Nobelpreis verdient.

Gert Postel hat der Psychiatrie die Mystifikation genommen, sie lächerlich gemacht, und damit den Bann zerstört, mit dem deren systematischen Menschenrechtsverletzungen, die die Kriterien von Folter erfüllen, verdeckt werden sollen. Seine Schirmherrschaft soll uns vor weiteren Lügen des psychiatrischen Systems bewahren und unsere Kritik anspornen.

Beschluß der Mitgliederversammlung der BPE am 1.3.2005

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Interview mit Gert Postel
Fragen: René Talbot
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Gewinnspiel: Die absurdeste psychiatrische (Phantasie-)Diagnose
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Gert Postel hat während seiner Zeit als Oberarzt bewiesen, wie´s bei den Psychiatern so zugeht: nichts als Lug und Trug. Er hat einen ganzen Saal voller Ärzte vorgeführt, indem er bei einer Fortbildungsveranstaltung einfach eine neue Diagnose zusammenphantasiert hat, die es sonst in der ganzen psychiatrischen Literatur gar nicht gibt: die bipolare Depression dritten Grades. Niemand von den subalternen Ärzten stellte auch nur eine Frage. Warum? Alle wissen, dass es reine Scharlatanerie ist, was sie betreiben, und nur, wirklich nur, die Machtstruktur zählt. Und da darf man als Subalterner einem Oberarzt einfach nicht widersprechen, ohne das man der völligen Inkompetenz überführt wäre.

Angeregt durch diese Geschichte setzt der Dissidentenfunk einen Preis für die pfiffigste, bzw. absurdeste Erfindung einer psychiatrischen Diagnose aus. Das Plenum des Werner-Fuß-Zentrums bildet die Jury die unter Ausschluss des Rechtswegs, die poppigste Erfindung einer Diagnose aussucht. Die eingesendeten Vorschläge werden in den weiteren Sendungen des Dissidentenfunks vorgestellt.

Der Preis für die beste Erfindung sind zwei Karten für das Theaterstück "Maison de Santé". Einsendeschluss ist der 30. März 2005.

Die Vorschläge bitte schriftlich per E-Mail an werner-fuss@gmx.de oder per Post ans Werner-Fuß-Zentrum, Scharnweberstr. 29, 10247 Berlin senden.

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MdB Kauch (FDP): Zwangsbehandlung ist Körperverletzung
Länge 05:12
Quellen im Internet:
  • Das vollständige Protokoll der Beratung des Zwischenberichts der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin": Patientenverfügungen
  • Der Bericht der Enquete-Kommission als PDF-Datei
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Der Disssidentenfunk ganz aktuell: Heute wurde im Bundestag über den Zwischenberichts der Enquete-Kommission "Ethik und Recht der modernen Medizin" des Bundestages zu Patientenverfügungen debattiert. Wir präsentieren einen Mitschnitt der besten Stellen aus der Rede des FDP Abgeordneten Kauch:

(...)

Leitbild ist dabei unser liberales Menschenbild – das des Menschen, der über sein Leben auch in existenziellen Fragen so weit wie möglich selbst entscheiden kann. Ein Menschenbild, das der Selbstbestimmung Vorrang vor anderen Überlegungen Dritter gibt, und seien sie noch so fürsorglich motiviert. (...)

Die eigentliche politische Trennlinie zwischen den Lager in dieser Diskussion: die Trennlinie zwischen fürsorglichem Paternalismus, der Zwangsbehandlungen in Kauf nimmt, und dem Vertrauen auf die Kraft und die Urteilsfähigkeit des einzelnen Menschen.

Um es klar zu sagen, wir haben keine naive Vorstellung eines autonomen Individuums. Natürlich ist der Mensch eingebunden in Beziehungen, er hst auch innere Zwänge. Gerade bei Patientenverfügungen kommt ein anderer Aspekt hinzu: man trifft Entscheidungen für Szenarien in der Zukunft, die man nur bedingt abschätzen kann. Der vorausverfügte Wille ist immer schwächer als der aktuell verfügte. Aber was ist die Alternative? Die Alternative ist Fremdbestimmung durch andere Menschen. Und bei aller Relativierung des autonom handelnden Menschen: wir Liberale entscheiden uns – im Leben wie im Sterben – für die Selbstbestimmung. (...)

Jede medizinische Maßnahme – nicht der Verzicht darauf! – ist durch Einwilligung des Patienten zu rechtfertigen. Eine Zwangsbehandlung ist Körper­verletzung, dem Arzt drohen strafrechtliche Konsequenzen. Und das gilt im Grundsatz auch für den nicht-einwilligungsfähigen Patienten.

Die FDP will deshalb die rechtliche Verbindlichkeit von Patientenverfügungen stärken. Patienten brauchen Rechtssicherheit darüber, dass sich Ärzte und Betreuer nicht über ihren im Voraus verfassten Willen hinweg setzen können – dann wenn sie am schwächsten sind, weil sie kommunikationsunfähig sind und sich nicht mehr gegen nicht gewünschte Behandlungen wehren können.

Das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper gehört zum Kernbestand der durch das Grundgesetz geschützten Würde und Freiheit des Menschen. (...)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Kommissionsmehrheit, mit Ihrem Entwurf damit liefern sie Patientinnen und Patienten Zwangsbehandlungen gegen deren erklärten Willen aus!

Damit würde das Gegenteil von dem erreicht, was sich die Enquete-Kommission zur Aufgabe gemacht hat, nämlich die Rechte von Patienten zu stärken. Die Rechtsfigur des "trotz Behandlung irreversibel tödlichen Verlaufs" macht Patientenrechte von einer ärztlichen Prognose abhängig, deren Verlässlichkeit nicht in allen Fällen garantiert werden kann.

Für den Anwendungsfall des Wachkomas geht die Kommissionsmehrheit mit Blick auf die Selbstbestimmung noch hinter die Rechtslage zurück. Die Bundesärztekammer sagt, dass es sich nicht um Sterbende handelt - das ist richtig - und sie deshalb auch ernährt werden müssen. Allerdings sagt sie weiter: unter Beachtung ihres Willens. Diese Einschränkung wischt die Enquete-Kommission einfach weg. Auch gegen den Willen der Patienten sollen Magensonden gelegt, Sehnen zerschnitten, Antibiotika verabreicht und Reanimationen durchgeführt werden. Das hat mit Selbstbestimmung nichts zu tun.

Auch über religiös motivierte Behandlungsbe­schränkungen setzen Sie sich locker hinweg. Wenn ein Zeuge Jehovas verfügt, niemals eine Bluttransfusion zu wollen, auch wenn er deshalb sterben müsste, dann ist auch das zu achten. Man mag es persönlich für falsch oder tragisch halten, doch niemand hat das Recht, Menschenwürde, Selbstbestimmungsrecht und Religionsfreiheit durch Zwangsbehandlungen mit Füßen zu treten!

Kernforderung der FDP ist es dagegen, dass Therapiewünsche, Therapiebegrenzungen und Therapieverbote durch eine Patientenverfügung für jeden Zeitpunkt eines Krankheitsverlaufes möglich sein müssen. Lediglich eine Basispflege darf aus Gründen der Menschenwürde nicht ausgeschlossen werden.

Die FDP möchte, dass Therapiebegrenzungen, Therapiewünsche und Therapieverbote in jeder Krankheitsphase möglich sind. Das gilt ausdrücklich nicht für die Basispflege; sie muss immer sichergestellt sein, beispielsweise das Waschen und das Befeuchten der Lippen. Voraussetzung ist, dass die Patientenverfügung klar definiert und anwendbar ist und dass sie - das ist etwas, dem die FDP große Bedeutung zumisst - dem Patienten noch personal zurechenbar ist. Hier kommen wir zu dem Fall der Demenzkranken. Wenn die Patientin, wie beschrieben, offensichtlich glücklich lebt und gar nicht mehr die Persönlichkeit darstellt, die sie einmal war, wenn sie auch nicht mehr weiß, dass sie einmal eine Patientenverfügung abgegeben hat, dann muss man dies natürlich anders bewerten, als wenn jemand, durch einen Unfall verursacht, im Wachkoma liegt, seinen Willen also nicht mehr ändern konnte und auch keine Willenserklärung mehr abgeben kann.

(...)

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Veranstaltungshinweis: Maison de Santé
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Vom 31. März bis zum 10. April immer Donnerstags bis Sonntags um 20 Uhr wird im Theatersaal des Tacheles vom Theater Thikwa zusammen mit dem Theater Zum Westlichen Stadthirschen das Stück "Maison de Santé" gespielt.

Ob du als Genie, Heiliger oder als Wahnsinniger giltst, das entscheidet die Wertegesellschaft. Ob jemand zu den Patienten oder zum Personal in der Psychiatrie gehört, kann ein Zufall seiner Lebensgeschichte sein. Was passiert, wenn die Patienten dem Zufall ein bisschen nachhelfen?

Angeregt wurde diese Inszenierung durch eine Erzählung von Poe: Ein Berliner Medizinstudent reist 1830 nach Südfrankreich. Dort besucht er eine Einrichtung für Menschen mit geistigen Behinderungen, die angeblich eine humane Methode aus England anwendet: "Die Methode Dr. Thaer & Prof. Fedders".

Der leitende Arzt verspricht für den nächsten Tag eine Führung durch die Einrichtung und lädt den Studenten erst mal zum Dinner. Die noblen Gäste plaudern bei feinen Speisen mit Vorliebe über Ticks und Spleens von anderen. Ahnt der Reisende, wen er vor sich hat? Droht der Abend zu kippen, und wenn ja, wohin?

Weitere Informationen: www.thikwa.de

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