Der Nationale Ethikrat befürwortet Patientenverfügung

Brief an den Nationalen Ethikrat

Werner-Fuß-Zentrum
Irren-Offensive e.V.
Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg e.V.
Scharnweberstr. 29
10247 Berlin

An alle Mitglieder des Nationalen Ethikrates
Jägerstr. 22/23
10117 Berlin

10. Juni 2005

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrte Frau Hohmann,

vielen Dank für die Übersendung der zwei Hefte "Stellungnahme Patientenverfügung".

Mit großer Genugtuung haben wir Ihre Stellungnahme zur Patientenverfügung zur Kenntnis genommen, die Sie am 1. Juni veröffentlicht haben.
Wir freuen uns sehr, daß Sie unsere Forderungen, wie wir sie in einem Brief an alle Abgeordneten des Bundestages dargelegt haben (Kopie anbei), in allen wesentlichen Punkten bestätigen. Obwohl wir weiterhin die Mitgliedschaft von Prof. Peter Propping in Ihrem Gremium obszön finden, werden wir in Zukunft den Ethikrat nicht mehr als Ekelrat bezeichnen, da sie einen bemerkenswerten Schritt unternommen haben, dessen Konsequenzen sich uns folgendermaßen darstellen:

1) Es hat einen Deal gegeben: Die Bio-Technokraten dürfen weiterwirtschaften, dafür akzeptiert der biomedizinisch/pharmakologische Komplex das Selbstbestimmungsrecht aller erwachsenen Bürger und gibt damit den inquisitorischen Gewaltteil seiner Macht preis: die Zwangs-Psychiatrie.

2) Die Erfüllung dieses Deals muß jetzt vorgenommen werden: Wenn die Patientenverfügung gesetzlich so verankert wird, wie sie und wir es fordern, dann wird sich jede/r kluge BürgerIn gegen jede psychiatrische Gewaltmaßnahme mit Hilfe einer Patientenverfügung gerichtsfest verwehren können - zumindest solange die Person keine Straftat begangen hat, obwohl selbstverständlich so eine Patientenverfügung auch zur Verhinderung einer forensisch-psychiatrischen Untersuchung gelten muß. Wie sie richtig ausführen, geht es schließlich um die Würde, also mit § 1 GG um das höchste Gut unserer Verfassung.
Damit wird jede/r kluge BürgerIn auch jede uneinverständliche (also Zwangs-) Diagnose verunmöglichen und das entzieht der Psychiatrie die Geschäfts-grundlage, denn wer ist schon so dumm und wird sich als angeblich "Geisteskranker" verleumden lassen wollen.

Also bitte sorgen Sie dafür, daß auch aus Ihrem vornehmen Gremium ein deutlicher Ruf nach Auflösung aller psychiatrischen Kerker und deren Folterregime, der Zwangsbehandlung, erschallt. Diese haben sowieso ausgedient, denn ihre Legitimationsfratze ist ihnen vom Gesicht gerissen, da es keine "psychische Krankheit" geben kann, wenn man sich per Willenserklärung "Patientenverfügung" daraus hinausoptieren kann - das notwendige Objektivitätskriterium für alles, was "Krankheit" zu nennen ist, ist verloren gegangen. Durch diesen Verlust der Legitimationsfratze steht die Zwangspsychiatrie endlich als das da, auf was sie sich schon immer reduzierte:
eine schwere fortgesetzte Menschenrechtsverletzung.

3) Ob das Kalkül der biotechnokratischen Nomenklatur aufgehen wird, mag dahingestellt sein. Wir bezweifeln, daß sich der biomedizisch/pharmakologische Komplex nach einem Verlust seiner gewaltförmigen Macht ehrlich verkaufen wird können, sondern freuen uns auf die Zeit, wenn die medizinische Ideologie angesichts ihrer Bilanz insgesamt zerfällt: Der Schuld für die schwersten Verbrechen gegen die Menschlichkeit, den systematischen Gaskammer-Genozid in Europa.

Wir würden uns über individuelle oder eine kollektive Antwort von Ihnen freuen!

Mit freundlichen Grüßen

(Für die Vorstände der beiden Vereine: René Talbot und Uwe Pankow)


Gesendet am 14.07.2005 im Dissidentenfunk (www.dissidentenfunk.de)

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