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Sendung vom 08.09.2005
Antipsychiatrie und die Linken

01 Intro 01:12

02 (Musik) Helge and The Firefuckers: Hey Joe 03:09

03 Antipsychiatrie und die Linken -- Einleitung 00:25 Audio Text
04 (Musik) Ton Steine Scherben: Ich will nicht werden, was mein Alter ist 04:14

05 Antipsychiatrie ... Teil I 01:33 Audio Text
06 (Musik) Rundfunk-Jugendchor: Aufbaulied der FDJ 01:48

07 Antipsychiatrie ... Teil II 02:26 Audio Text
08 (Musik) Unsere Patenbrigade 02:15

09 Antipsychiatrie ... Teil III 02:03 Audio Text
10 (Musik) Das Lied, das uns allen gefällt 00:50

11 Antipsychiatrie ... Teil IV 10:36 Audio Text
12 (Musik) Der Volkspolizist 01:42

13 Antipsychiatrie ... Teil V 08:23 Audio Text
14 (Musik) Ton Steine Scherben: Keine Macht für Niemand 04:02

15 Antipsychiatrie ... Teil VI 04:04 Audio Text
16 (Musik) The Specials: Blank Expression 02:35

17 Psychiater schlagen Alarm 04:38 Audio Text
18 (Musik) Moby: Honey 03:05

19 Abmoderation 00:48

20 Outro 00:12

(Musik) Helge and The Firefuckers: Hey Joe
Album: Eiersalat in Rock (1999)
Länge 03:09

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Antipsychiatrie und die Linken -- Einleitung
Autor: René Talbot
Länge 00:25
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Heute zum Schwerpunktthema Antipsychiatrie und die Linken.Bei diesem Thema sollen heute holzschnittartig die Falllinien zur Einordnung der Kritik an der Psychiatrie skizziert werden. Und es geht um das schwierige Verhältnis gerade auch von Linken damit, dass wir konsequent die Menschenrechte für alle einfordern und eine Unterscheidung von Menschen und angeblich geisteskranken Untermenschen entschieden ablehnen.

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(Musik) Ton Steine Scherben: Ich will nicht werden, was mein Alter ist
Album: Warum geht es mir so dreckig? (1971)
Länge 04:14

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Antipsychiatrie ... Teil I
Länge 01:33
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Zunächst etwas darüber, was wir unter Linken im weiteren verstehen wollen: Ich denke, das Motto des Weltsozialforums in Porto Alegre fasst die Linke Überzeugung allgemein kurz und bündig zusammen: eine andere Welt ist möglich. Eine andere Welt ist möglich steht im Gegensatz zu einem Konservatismus, der die Verhältnisse bewahrten will, nur noch Feinabstimmungen des Machterhalts vornimmt und graduelle Verbessserungen zur Systemabsicherung zum Ziel hat.

Die Linken wollen große, bedeutende Änderungen herbeiführen, die regelmäßig "revolutionär" genannt werden. Im Gegensatz dazu haben zwar auch die Nazis von "Bewegung" gesprochen und linke Versatzstücke in ihre Propaganda eingebaut, aber sie wollten gerade KEINE andere Welt möglich machen, sondern redeten davon, dass nationalsozialistische Politik angewandte Biologie sei, sie also gerade jede Phantasie an eine bessere Welt für alle Menschen bekämpften. Dass Linke also auch immer ein Universalismus und damit Internationalismus verbindet, ist nahe liegend, aber schon nicht mehr ganz so klar, kommen wir doch jetzt zu den beiden Polen, die innerhalb der Linken geradezu antagonistisch gegeneinander stehen: Anarchisten und Kommunisten. Im weiteren spreche ich etwas allgemeiner von Libertären und Sozialisten. Im Kern geht es bei den gegensätzlichen Polen um die Gewaltfrage, insbesondere die staatliche Gewalt und deren Eingriffs- bzw. Zugriffsmöglichkeiten auf das Individuum.

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(Musik) Rundfunk-Jugendchor: Aufbaulied der FDJ
Komposition: Paul Dessau
Text: Bertold Brecht
Aufnahme: 1948
Album: Unser Zeichen ist die Sonne. Die schönsten Lieder der FDJ (1999)
Länge 01:48

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Antipsychiatrie ... Teil II
Länge 02:26
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Während die Libertären die Gesellschaftlichen Verhältnisse so ändern wollen, dass die Staatgewalt zumindest minimiert, als Ziel aber ganz abgeschafft werden soll und damit die Utopie der Abschaffung der Herrschaft des Menschen über den Menschen verwirklicht werden soll, wollen die Sozialisten den umgekehrten Weg gehen: erst die Eroberung der Staatsgewalt und mit der Verfügung über diese Gewalt sollen die gesellschaftlichen Verhältnisse geändert werden, so dass die Herrschaft und Ausbeutung beendet werde. Der markanteste Begriff in diesem Zusammenhang ist die Diktatur des Proletariats bzw. logischerweise die Diktatur der Avantgarde des Proletariats, der Partei. Und unmittelbar ist der stalinsche Sozialismus in einem Land auf dem Plan, da eben eine nationalstaatlich verfasste Staatsgewalt erobert wird. Damit wird eine Abkehr vom Universalismus Teil des Programms.

Die beiden Pole sind also entsprechend ihrem Verhältnis zum Staat als Etatisten bzw. Anti-Etatisten oder auch als Autoritäre und Anti-Autoritäre zu charakterisieren. Ohne das eine der beiden Seiten die Wechselwirkungen von Staat und Gesellschaft leugnen könnte oder würde, sind aber die Überzeugungen über die Wirkungsweisen und das entsprechende Primat des politischen Handelns sicher diametral entgegengesetzt: Während die Libertären primär die Gesellschaft verändern wollen, wollen die Sozialisten primär über die Staatsgewalt verfügen. Entsprechend spaltete sich die erste Internationale 1872 in sozialistische Anhänger von Karl Marx und libertäre Anhänger von Michail Bakunin. Die letzte offensichtliche Facette dieser Pole waren in der BRD die Spontis bzw. Autonomen und die vielen ML und Sozialisten Parteien in den 70er Jahren.

Zur Veranschaulichung, um was es im Kern bei der Frage geht, ein Beispiel von libertärer Gesinnung, wo man es als Letztes vermutet hätte: Kanzler Kohls Weigerung die Parteispender zu benennen, weil er ihnen sein "Ehrenwort" gegeben hat. Ein ihm persönlich bekannten Personen gegenüber gegebenes Versprechen stellt er über seine gesetzliche Verpflichtung, die Spender zu benennen. Eine persönlich eingegangene Verpflichtung ist ihm also wichtiger als Gesetzestreue. Entsprechend schäumten alle Etatisten vor Wut.

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(Musik) Unsere Patenbrigade
Album: Fröhlich sein und singen. Die schönsten Pionierlieder
Länge 02:15

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Antipsychiatrie ... Teil III
Länge 02:03
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Um es kurz zu machen: Selbstverständlich haben die Libertären recht , dass nur gesellschaftliche Veränderung zum Ziel führt. Dafür gibt es viele gute Gründe:

  1. Zunächst einmal sollte niemand je die Dynamik der Machtausübung unterschätzen. Thomas Szasz sagt zurecht: Niemand erobert die Macht, um eine Revolution zu machen, sondern Revolutionen werden gemacht, um die Macht zu erobern. Gleichzeitig mit der Eroberung der Macht verwandelt sich das revolutionäre Ziel in puren Machterhalt, wenn die revolutionären Ziele durch Gewalt, statt durch den politischen Willen einer gesellschaftlichen Mehrheit erreicht worden sein sollten.
  2. ist es schon logisch ein Fehler mit Gewalt Gewaltfreiheit herzustellen, so ist es genauso unsinnig, wenn Menschenrechte durch Menschenrechtsverletzungen durchgesetzt werden sollten. Das gilt trotz aller revolutionären Ungeduld, die Machtverhältnisse auf die Probe zu stellen, was so oft blutig bezahlt wurde
  3. gesellschaftliche Verhältnisse sind Ausdruck der gesamten Kultur- und Lebensform menschlicher Kollektive, darunter die ganze sprachliche und begriffliche Topographie, sowie religiöse Überzeugungen, Mythen und Tabus. Die rechtlich gewaltförmigen Verhältnisse sind auch bei Berücksichtigung ihrer Bedeutung für die Ökonomie und das Produktionssystem letztendlich nur Ableitung, Überbau, Derivat bzw. Ausschnitt der gesellschaftlichen Verhältnisse. Kurz gesagt: mögen die Eigentumsverhältnisse, die Rechtliche Verfügungsgewalt über Produktionsmittel, zwar in vielem ein Quäntchen Bedeutung haben, so sind sie aber ganz sicher nur ein Ausschnitt von Kultur, Sprache, Geschichte und Eigensinn von Populationen.
    Wer also z.B. aus Psychiatriekritik eine moralischen Frage an Pharmaproduzenten machen will, ist auf einem ökonomistischen Holzweg und kann dem System kein wirklicher Gegner sein, drischt er doch nur auf die Früchte statt die Wurzeln dieses Systems ein.
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(Musik) Das Lied, das uns allen gefällt
Album: Fröhlich sein und singen. Die schönsten Pionierlieder (1998)
Länge 00:50

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Antipsychiatrie ... Teil IV
Länge 10:36
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Ich hoffe, es ist jetzt verständlich, wie zentral die Frage des Zwangs und die Ausübung staatlicher Gewalt für die beiden Pole der Linken ist. Zwei besonders offensichtliche Bereiche staatlichen Handelns werden wir jetzt beleuchten, in denen mittels staatlichem Zwang gesellschaftliche Gewalt ausgeübt wird und die ganz eng miteinander verwoben sind: Zwangsarbeit und Zwangspsychiatrie.

Typischerweise haben Sozialisten auf Zwangsarbeit als wesentliches Mittel ihres Repertoires nie verzichtet: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, lautet deren Moral, die zwar vordergründig gegen die Ausbeuter gerichtet sein soll, aber dem selbstverständlich vor allem massenhaft alle anderen Arbeitsverweigerer zum Opfer fallen. Mit dem Spruch, es gäbe kein Recht auf Faulheit, hat Schröder die Hartz IV Hetze gegen die eröffnet, die sich seinem Lohndrückerprogramm des angebl. Förderns, tatsächlich aber Forderns, widersetzen. Am Rande sei vermerkt, dass zynischerweise die Genötigten nun auch noch offiziell als "Kunden" der Arbeitsagentur verhöhnt werden.

Aber was setzen sozialistische Etatisten dagegen? Eine Forderung nach Mindestlohn anstatt nach einer bedingungslosen Grundsicherung, bzw. das Recht auf Faulheit durch die Abschaffung der gesetzlichen Sanktionsmöglichkeiten, um die Verweigerung die Arbeitsbereitschaft endlich straffrei zu stellen.

Zusätzlich soll bei den Sozialisten der Staat als Auftragsgeber für Arbeit als unproduktive Beschäftigungstherapie fungieren, also müssen Menschen arbeiten und via Steuern Geld dafür bezahlen, nur das andere Menschen Produkte erarbeiten, die niemand braucht und niemand will. Es handelt sich um die Ideologie des Arbeitens, des " gebraucht Werdens" in Bereichen, wo die Produktivität schon längst das Reich der Freiheit zulässt.

Ganz parallel zu Zwangsarbeit und dem Arbeitszwang wollen Sozialdemokraten, wie sozialistische Etatisten, und die Konservativen sowieso, die Zwangspsychiatrie erhalten. Sie alle unterstützen die Zwangspsychiatrie, den staatlichen Zwang als gesellschaftlich erwünschte Gewalt, um mit Freiheitsberaubung und Körperverletzung, die Folter, Entmündigung und Entwürdigung im Psychiatrischen Gulag als willkürliches Unterdrückungsinstrument nutzen zu können. Das Ende dieser menschenrechtlichen Verbrechen, bei denen aufgrund einer medizinische Verurteilung, Menschen zu Untermenschen erklärt werden, hat bisher auch keine Partei der Linken zum Programm gemacht. Ganz im Gegenteil: Durch die Heiligsprechung und Verklärung der Psychiatrie als angebl. "wissenschaftlich" und ein entsprechend vulgärmaterialistisches Weltbild von Geisteswissenschaft als Gehirn- und biologische Selektionswissenschaft, waren einerseits sowohl sowjetische wie postsowjetische Psychiatrien verschärfte Straflager. Andererseits gab es auch ein sozialdemokratische Eugenik mit der Forderung nach Zwangssterilisation. Deren führender Vertreter, Alfred Grotjahn, war von 1921 - 1924 Reichstagsabgeordneter der SPD und Inhaber des Lehrstuhls für Sozialhygiene an der Universität Berlin. Er benannte 1925 zustimmend den Personenkreis, der bald von der ,Ausmerzung' betroffen sein wird, Zitat: "...das Heer der Landstreicher, Alkoholiker, Verbrecher und Prostituierten, der Bodensatz der Bevölkerung, den der Volkswirt als Lumpenproletariat bezeichnet, Epileptiker, Geisteskranke und Geistesschwache, Sonderlinge und Krüppel..." (Grotjahn zitiert nach Klee 1983: 30). Wie die eugenischen Phantasien weitergewirkt haben, ist daran zu sehen, dass erst 1999 die 1980 gegründete Samenbank von angeblichen "Genies" endgültig geschlossen wurde, wie im Spiegel der letzten Woche berichtet wurde.

 

Als Beispiel der realsozialistischen Zwangspsychiatrie und deren Fortsetzung nach der Wende sei auf den Film von Ernst Klee "die Hölle von Ückermünde" hingewiesen. In dieser Sendung möchte ich aus dem Buch "Das weiße Land der Seele" von Olga Kharitidi zitieren. Olga Kharitidi ist eine russische Psychiaterin und damit eine Zeugin von der Täterseite, die das System Anfang der 90er Jahre verlassen hat. Der Ausschnitt aus ihrem autobiographischen Buch zeigt beispielhaft, wie alle Psychiatrie durch Kolonialisierung auf die Vernichtung des Subjekts zielt:

Viktor Isotow war gerade erst zwanzig Jahre alt, als er aus einer Spezialklinik in unser Krankenhaus überweisen wurde. Solche Kliniken hatte es jahrzehntelang überall in der Sowjetunion gegeben. Sie widmeten sich der Behandlung krimineller Patienten, vor allem solcher, die als gefährlich eingestuft wurden. Wir wußten nicht viel über diese Anstalten, denn sie waren dem Innenministerium unterstellt, nicht dem Gesundheitsministerium.

Eines der schlimmsten Verbrechen in der Sowjetunion wurde in Paragraph 70 des sowjetischen Gesetzbuches definiert. In diesem Paragraphen ging es um antisowjetische Agitation und Propaganda. Die Verurteilung nach Paragraph 70 war für die meisten Betroffenen praktisch gleichbedeutend mit einem Todesurteil. Der einzige Unterschied bestand darin, da sie nicht hingerichtet wurden, sondern statt dessen den Schrecken der "Sonderbehandlung" ausgeliefert waren. Viele der Verurteilen waren auf immer für die Welt verloren, und von denen, die zurückkehrten, blieben die meisten ihr Leben lang seelische Krüppel.

Viktor Isotow war als einem seltenen Ausnahmefall die Chance gegeben worden, in die Gesellschaft zurückzukehren. Nach zwei Jahren seelischen Horrors in einer Spezialklinik in Kasachstan hatte man ihn nach Hause geschickt und zur Weiterbehandlung in unsere Klinik eingewiesen. Er kam mit dem Etikett "schleichende Schizophrenie" auf meine Station, einer Diagnose, die alles und nichts besagte und bei jedem so lauten konnte, der die Kriterien gesellschaftlicher Normalität, die die Regierung aufgestellt hatte, nicht erfüllte.

Wer mit dieser Diagnose behaftet war, hatte, auch wenn er in Wirklichkeit geistig völlig gesund war, unter den schrecklichen Folgen zu leiden, die auch jede diagnostizierte Schizophrenie nach sich zog. Fast alles, was den Betroffenen im Leben lieb und wert war, wurde ihnen geraubt. Sie verloren ihre Arbeitsstelle und ihre Freunde. Sie durften wieder zur Schule gehen noch in sozialen Organisationen mitwirken.

Das wichtigste Syndrom in Viktors Krankengeschichte war nach den Aufzeichnungen seines letzten Arztes "metaphysische Intoxikation". In seiner Krankenakte hieß es: "Der Patient zeigt anomales Interesse an Literatur mit philosophischem, religiösem und metaphysischem Charakter. Er behauptet, er könne den ganzen Tag damit verbringen, Bücher zu lesen, ohne irgendwelchen anderen Interessen nachzugehen. Er hat nicht viele Freunde, denn seine Kriterien für Freundschaft sind sehr streng. Seine Redeweise ist abstrus und kompliziert. Er verbreitet antisowjetisches Gedankengut. Er ist der Überzeugung, die sowjetische Gesellschaft sei unvollkommen und könne in vieler Hinsicht verbessert werden."

Viktors Verbrechen – seine Geisteskrankheit – bestand darin, daß er im Alter von siebzehn Jahren entschieden hatte, das Leben in der Sowjetunion sei verbesserungswürdig: Die Menschen hier sollten größere Freiheiten haben. Er hatte einfache, handgeschriebene Flugblätter angefertigt, auf denen er Vorschläge machte, wie diese Veränderungen aussehen könnten. Diese Flugblätter hatte er in seiner kleinen Heimatstadt an ein paar öffentlichen Gebäuden an die Mauern geklebt.

Was dann folgt, war typisch. Die örtliche Abteilung des KGB verhaftete Viktor, man leitete eine psychiatrische Untersuchung in die Wege, die die Diagnose Schizophrenie stellte, diese Diagnose wurde dem Gericht vorgelegt, und das Gericht schickte Viktor in die Spezialklinik.

Ich fragte mich, warum man ihn schließlich doch nach Hause gelassen hatte. Vielleicht hatten sie endlich erkannt, wie lächerlich es gewesen war, ihn überhaupt als Bedrohung für die Gesellschaft zu bezeichnen. Oder aber, sie hatten beschlossen, ihn als geheilt zu betrachten. Als Viktor mein Patient wurde, wäre ich nie auf die Idee gekommen, ihn als gefährlich einzustufen. Er hatte einen schmalen weißen Nacken und blickte immer demütig zu Boden. Seine Stimme war leise, und er legte Symptome einer tiefen Depression an den Tag.

Viktor war der erste Patient, den ich aus einer Spezialklinik übernommen hatte. Ich mußte feststellen, daß er vor allem und jedem Angst hatte. Er war sehr kooperativ und beantwortete gehorsam alle meine Fragen. Das Problem war, daß er seine Antworten alle gewissenhaft auswendig gelernt und eingeübt hatte. Es waren immer kurz, förmliche Sätze, die er ohne Abwandlung wiederholte: "Ich war krank. Das ich jetzt ein. Ich möchte meine Medikamente weiter nehmen, um der Krankheit vorzubeugen."

...

Viktor glaubte nun nicht mehr, daß die Gesellschaft Veränderungen nötig hatte, wahrscheinlich, weil er den Gedanken, daß Veränderungen überhaupt möglich waren, aufgegeben hatte. Ich hörte niemals eine Äußerung von ihm, die als antisowjetisches Gedankengut hätte interpretiert werden können. Man hatte ihn darauf konditioniert, solche Themen zu vermeiden. Aber nach und nach entwickelte er eine nebelhafte Vision seiner Zukunft.

Er begriff, daß er außerordentliches Glück gehabt hatte, aus der Spezialklinik entlassen worden zu sein. Ihm bot sich jetzt die Chance, in seiner Heimatstadt den eigenen Lebensunterhalt mit einer einfachen Arbeit zu verdienen und zu seinen geliebten Büchern zurückzukehren. Viktor wurde klar, daß er seine früheren Hoffnungen auf ein Studium für immer begraben mußte, und ich versuchte nie, ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Die Universitäten würden ihm für immer verschlossen bleiben. Diese Erkenntnis hatte traumatische Folgen für ihn, denn er war intelligent und neugierig. Auch nach den beiden Jahren, in denen er den destruktiven Behandlungsmethoden der Spezialklinik ausgesetzt war, war er immer noch von einem leidenschaftlichen Wissensdurst erfüllt.

...

Nach seiner Freilassung hatte Viktor mir einen kurzen Brief geschrieben, in dem er von seinen Versuchen berichtete, eine Arbeit zu finden. Die wenigen Betriebe, bei denen er sich vorgestellt hatte, hatten ihn abgewiesen, aber er gab die Hoffnung nicht auf. Außerdem erwähnte er, daß seine Mutter während seiner Abwesenheit alle seine Bücher verkauft hatte.

...

Jetzt hatte Viktor sich das Leben genommen, und mir war, als sei ein Teil meiner selbst mit ihm gestorben. ... Ich konnte es nicht mehr rechtfertigen, ein sogenannten "normales" Leben als erfolgreiche Psychiaterin an einer staatlichen Klinik zu führen. Wenn ich, worauf ich in meinem bisherigen Leben immer stolz gewesen war, meinen inneren Überzeugungen treu bleiben wollte, blieb mir gar keine Wahl.

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(Musik) Der Volkspolizist
Album: Fröhlich sein und singen (1998)
Länge 01:42

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Antipsychiatrie ... Teil V
Länge 08:23
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In dem ganzen dusteren Gemälde, wie ich es bisher gezeichnet habe, gibt es aber auch Lichtblicke. An dieser Stelle muss zuerst erwähnt werden, wie die Alternative Liste in Berlin, die vor allem von antiautoritären Spontis Anfang der 80er Jahre initiiert worden war und noch Anti-Etatistisch war, bevor sie in Grün aufging, 1981 die Abschaffung der Psychiatrie zum Teil ihres Programms erhoben hat. Wir zitieren einige markante Ausschnitte. In ganzer Länge sind sie in der Irren-Offensive Nr. 1 nachzulesen, die im Internet unter der Adresse www.antipsychiatrie.de veröffentlicht ist.

Das Anti-Psychiatrie-Programm

Vor den Neuwahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus am 10.5.1981 wurde die Irrenoffensive - als von der Psychiatrie direkt betroffene Gruppe - von der Alternativen Liste ange­sprochen, bei der Neuformulierung des Wahlprogramms mit­zuarbeiten

.

Gegen den Widerstand einzelner Mediziner und Mitglieder der Berliner Gesellschaft für "Soziale" Psychiatrie haben wir uns mit unseren Vorstellungen zur ABSCHAFFUNG der Psy­chiatrie durchgesetzt.

...

Unser Menschenbild ist kein festes. Wir sehen den Men­schen als ein soziales Wesen mit unendlichen Fähigkeiten, einer Vielfältigkeit von Stimmungen, Gefühlen, Wünschen und Werthaltungen, die sich durch die Anzahl der Men­schen im Allgemeinen und seine individuelle Entwicklung ergibt. Jedes Individuum ist eine Persönlichkeit. Jede Per­sönlichkeit ist dadurch bestimmt, daß sie nie mit einer anderen vergleichbar ist.

Dementsprechend vielfältig sind die Reaktionen des Men­schen auf seine Umwelt. Jedes Handeln ist die natürliche Antwort, die logische Konsequenz des Individuums in sei­ner Situation auf dem Hintergrund seiner individuellen Ge­schichte. Die zahlreichen Unterschiede zwischen dem ein­zelnen Menschen und seiner sozialen Umwelt führen zu ebenso vielen Möglichkeiten sich in dieser sozialen Umge­bung zu helfen.

Jeder Versuch, eine Norm für menschliches Verhalten vor­zuschreiben, hat die Vergewaltigung des Menschen in sei­nem Wesen zur Folge, die Zerstörung der Individualität. In der heutigen Psychiatrie wollen die Psychiater und ihre weiteren "Fachkräfte" - wie Sozialarbeiter und Psycho­logen - im Auftrage der Gruppen, die ein Interesse am normierten Funktionieren des Menschen haben, seine Vielfältigkeit bis hin zu seiner Sterblichkeit mit aller Macht ignorieren und ausschalten.

...

Die deutsche Psychiatrie ist ein Ableger der naturwissen­schaftlich orientierten Medizin. Psychiater behandeln im gesellschaftlichen Zusammenleben entstandene Persönlichkeitsprobleme als eine auszumerzende Krankheit. Diese falsche Auffassung wurde von den Psychiatern zur Ausdehnung und Sicherung ihrer Macht, zur Vertuschung ihrer diagnostischen und therapeutischen Unfähigkeit mit Bluff und diletantischem pseudo-wissenschaftlichen Kau­derwelsch gezüchtet. Aus dem Rahmen fallende Verhal­tensweisen wie z.B. das Gefühl der Ausweglosigkeit, Aus­stieg aus der "normalen" Wirklichkeit - Einstieg in andere Erlebniswelten, Lebensängste, werden als Krankheiten be­zeichnet. Diese sollen teils durch mittelalterlich mechani­sche Foltermittel, teils durch "medizinische Therapien" zum Verschwinden gebracht werden.

...

Es muß endlich Schluß gemacht werden, daß hilfesuchende Menschen von gewissenlosen Pharmaproduzenten und weiß­bemäntelten Psychiatern als Versuchskaninchen mißbraucht werden! Alle Medikamente, alle Therapien, alle psychiatrischen Maßnahmen wie Elektroschocks müssen zuerst an den Psychiatern langfristig erforscht und erprobt werden. Wir lehnen die Psychiatrie ab: Wir setzen uns statt dessen da­für ein, daß alle Menschen das Recht haben, aber sich selbst zu verfügen und so zu leben, wie sie es wollen - ob "nor­mal" oder "ver-rückt" -, ohne unterdrückt und getäuscht zu werden - auch nicht im Namen der Medizin.

...

Wer schon einmal im Irrenhaus war, weiß, wie schwierig es ist, wieder herauszukommen ... Aus der psychiatrischen Mißhandlung Entlassene sind ent­mündigt, unsicher, fertig, kaputt, zerstört, willenlos, Zombis (umherwandelnde Leichen). Aber für sie ist der Leidens­weg noch nicht zu Ende: Die Psychiater nutzen den entmündigten Zustand der Entlassenen aus, indem sie ihnen Angst vor einem erneuten Aufenthalt in der Anstalt machen und sie zwingen, die "Medikamente" weiterhin einzuneh­men bzw. sich jede Woche eine Langzeitspritze ambulant verpassen zu lassen.

Wir verurteilen die Pharmakabehandlung als einen großen, legalen, staatlich-medizinisch-privatwirtschaftlichen Milliar­den-Drogendeal. Dieser führt zu nichts anderem, als daß wehrlose Menschen körperlich und seelisch zerstört und ab­hängig gemacht werden und das System aufrechterhalten wird, das dieses Leiden produziert.

...

Durch die körper­lichen Wirkstoffe der Psychopharmaka werden auch Gehirn­funktionen beeinflußt: "Dir ist alles egal, Du Dir selbst, Deine Freunde, Dein Interesse an der Umwelt, Du fühlst Dich tot, dumpf und öde, leer, hohl, ohne Regungen, nutz­los störend, überflüssig. Trotz all dieser Entfremdung von Dir selbst, bleibt Dein Bewußtsein für die beschriebene be­schissene Situation."

In dieser Foltersituation ist kein Mensch fähig, irgend­welche - auch gute Therapieangebote - aufzunehmen. ... Aus dieser Realität heraus sind wir für die Abschaffung des Psychiaterberufes und der "psychiatrischen Ausbildung". ...

Die ein- und mehrmalige Zwangseinweisung, Zwangsunter­bringung, Zwangstherapie und die Ausbeutung durch die sogenannte Arbeitstherapie sind zu verbieten. Die Gewäh­rung der Einsicht in sämtliche Anstaltsunterlagen einschließlich der sogenannten "Krankenblätter" sind gesetzlich zu verankern. ... Die Entmündigung- und der rechtlose Status der Betroffenen ist aufzuheben; ihnen ist volle Rehabili­tation zu gewähren. Den Entlassenen müssen finanzielle Entschädigung und Starthilfe ohne Rechenschaftspflicht, Aktenführung und Schnüffelei gewährt werden. Sie dürfen bei Neu- und Wiedereinstellungen nicht diskriminiert wer­den. Der Zwang, die persönliche Leidensgeschichte allen möglichen ,,Arbeitgebern" offenbaren zu müssen, muß gesetzlich abgeschafft werden. Im gesamten sozialen und medizinischen Bereich müssen alle - Betroffene und Be­teiligte - generelles Aussage- und Zeugnisverweigerungs­recht erhalten. ... Alle psychosozialen Einrichtungen müssen auf de­zentraler Selbstverwaltungsbasis mit vollem Selbst- bzw. Mitbestimmungsrecht der Betroffenen organisiert wer­den. ... In Psychiatriebauten - sei es Ausbau-, Neubau oder Erweiterung der Bausubstanz - darf kein Pfennig mehr investiert werden. Wir weisen angesichts der von den etablierten Parteien CDU, SPD, FDP geplan­ten ambulanten Zwangstherapien auf die Kurzsichtigkeit der Forderung der DGSP hin, den ambulanten psychiatri­schen Bereich auszuweiten. Mit der geforderten Öffnung der Irrenhäuser werden die Psychiater automatisch auf die gesamte Bevölkerung losgelassen. Diese Begleiterschei­nung ist unerwünscht, sie muß verhindert werden. ...

Das Hilfsangebot muß sich nach den Wünschen und Be­dürfnissen der Hilfesuchenden richten, wobei die Art der Hilfeleistung der Vielfältigkeit der Bedürfnisse entsprechen muß. Das Ausmaß der Hilfeleistung darf nicht an finan­zielle Gesichtspunkte gekoppelt sein. Sie muß Zwang, Unterdrückung, Kontrolle und Registrierung ausschließen. Eine stationäre Hilfestellung und ihre Dauer hat sich nach dem Wunsch der Hilfesuchenden zu richten. Jegliche Zu­sammenarbeit mit den Institutionen der öffentlichen Ge­walt ist zu verbieten. Bei dieser ambulanten Versorgung ist bereits im Ansatz zu verhindern, daß die psychiatrische Unterdrückung und Mystifizierung modernisiert, techni­siert, sozialpsychiatrisiert, gemeindenahpsychiatrisiert - also mit neuen Kleidern durchs Fenster wieder herein­kommt, um mit der selben menschenverachtenden Fratze ihre von den bürgerlichen Parteien geforderte Rolle perfek­tioniert weiterzuerfüllen. Die Irrenanstalten werden sofort aufgelöst, die Menschen freigelassen. Diejenigen, die hos­pitalisiert sind und die Anstalten nicht mehr verlassen wollen, werden in gemütlichen Räumen wie Gäste liebevoll gepflegt. Die Berliner Irrenanstalten ... werden zu öffentlichen Kommunikationszentren gemacht. Aus den Anstaltsgärten werden öffentliche Parks gemacht. Die sozialpsychiatri­schen (Schnüffel-)Dienste werden aufgelöst, denn die sozia­le Kontrolle, die durch Psychiater, Psychologen und Sozial­arbeiter ausgeübt wird, ist ein weiterer Schritt zum totalen Überwachungsstaat.

Die ALTERNATIVE LISTE betont noch einmal, daß sie jegliche Form psychiatrischen Handelns als gegen die In­teressen der Betroffenen gerichtet ansieht. Wir lassen uns nicht durch Schönfärberei und blumiges Wortgeklingel täuschen. Mit den Betroffenen wehren wir uns gegen eine reformistische Perfektionierung der psychiatrischen Unter­drückung:
Die einzige Alternative ist für uns die vollständige Abschaf­fung der kompletten Psychiatrie!

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(Musik) Ton Steine Scherben: Keine Macht für Niemand
Album: Keine Macht für Niemand (1972)
Länge 04:02

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Antipsychiatrie ... Teil VI
Länge 04:04
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Kann das Thema "Antipsychiatrie und die Linken" zusammengefaßt werden? Ja! Zwar muss linke Politik nicht nur Anti-Zwangspsychiatrie sein, aber ohne Anti-Zwangspsychiatrie ist alle linke Politik Trug und nichts.
In diesem Sinne hoffen wir, daß bei der Vereinigung zu einer Linkspartei der folgende Antrag beim Bundesparteitag der WASG zum Programm wird:

Antrag der Bezirksgruppe Lichtenberg-Hohenschönhausen / Marzahn-Hellersdorf beim Bundesparteitag der WASG.

Für ein selbst bestimmtes Leben - gegen die gesetzliche Entrechtung in der Psychiatrie

Der radikalste und brutalste Ausdruck von Diskriminierung ist die gesetzlich legitimierte Aussetzung von Grund- und Menschenrechten für eine spezifische Gruppe. Besonders dann, wenn diese Gruppe von außen ideologisch und willkürlich definiert wird. Auch in Deutschland gibt es so eine Gruppe: die so genannten "psychisch Kranken".

Damit der Entzug von Menschenrechten in einer Demokratie unbemerkt bleibt, werden die Zwangsmaßnahmen beschönigt. Auch wer keine Straftat begangen hat, kann sich folgenden Repressionen ausgesetzt sehen:

Freiheitsberaubung
Eindeutig diagnostizierbar körperlich Kranke können sich jederzeit aus einem Krankenhaus selbst entlassen (Ausnahme Seuchengesetz). Dagegen dürfen Personen, bei denen psychische Krankheit unterstellt wird, angeblich "zu ihrem eigenen Wohl" (gegen ihren Willen) und/oder "zum Schutz der Allgemeinheit" (verleumderische Kriminalisierung) in ein "Krankenhaus" (Gefängnis) "zwangseingewiesen" (inhaftiert) werden.

Folter
Körperlich Kranke dürfen eine Behandlung ablehnen, selbst wenn dies zu ihrem Tod führt. Psychisch krank definierten Menschen dürfen dagegen zwangsweise "Medikamente" (bewusstseinsverändernde Drogen, wie z.B. Haldol) und Elektroschocks verabreicht werden. Sie dürfen sogar gegen ihren Willen "fixiert" (ans Bett gefesselt) werden. Selbst wenn diese Methoden nicht unmittelbar angewandt werden sollten, ist die Drohung damit allgegenwärtig.

Zwangsentmündigung
Unter Umständen müssen für psychisch krank Befundene eine so genannte "Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit nach dieser Einsicht zu handeln" beweisen. D.h., sie müssen die ärztliche Ansicht teilen, sich entmündigen zu lassen. Teilen die Betroffenen diese Ansicht nicht, beweisen sie damit eine angebliche Einsichtsunfähigkeit und werden genauso entmündigt. Im Neudeutschen wird eine solche Zwangsentmündigung "Betreuung" genannt.

Die Androhung von Folter durch die Polizei selbst an Schwerverbrechern zur erhofften Rettung von Menschenleben wird in einem Rechtsstaat nicht akzeptiert. Noch erschreckender ist, dass all diese Vorfälle außerhalb des geltenden Rechtes geschahen, während die gleichen menschenunwürdigen Behandlungsmethoden für so genannte psychisch Kranke breitenwirksam gesetzlich geregelt sind. Der Rechtsstaat verdreht sich in sein Gegenteil, indem er in der Zwangspsychiatrie die Misshandlung durch Körperverletzung und Freiheitsberaubung legalisiert.

Geschehen kann dies im Rahmen einer Ideologie, die mit scheinwissenschaftlichen Methoden eine Gruppe von Menschen zunächst willkürlich definiert, anschließend als unnormal verleumdet, um sie letztendlich von den Menschenrechten auszuschließen. Lesben und Schwule wurden von der Weltgesundheitsorganisation erst 1981 von der Liste der Geisteskranken gestrichen. Letzteres unterstreicht die Willkürlichkeit, mit der Menschen als psychisch krank eingestuft werden. Bereits der Vorgang einer unter Zwang durchgeführten angeblich medizinischen Diagnose führt zu rufmörderischen Bezeichnungen wie "Schizophrene", "Psychopath" usw., die als pseudo-wissenschaftlicher Vorwand zur brachialen Entrechtung verwendet werden.

Die WASG-Berlin fordert deshalb:
Keine Parallelgesellschaft in der Psychiatrie: Abschaffung aller gesetzlichen Sonder-Regelungen, die in Bundes- oder Ländergesetzen psychiatrische Zwangsdiagnosen, Zwangseinweisungen, Zwangsbehandlungen und Zwangsentmündigungen ("Betreuung") legalisieren. Ausschließlich die oder der Betroffene selbst darf ihre/seine Entrechtung legitimieren.

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(Musik) The Specials: Blank Expression
Album: Best of The Specials (1996)
Länge 02:35

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Psychiater schlagen Alarm
Autor: René Talbot
Länge 04:38
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OggVorbis
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Offensichtlich sind die Verteidiger der Zwangspsychiatrie durch die erfolgreicher Abwehr der ambulanten Zwangsbehandlung, den Sieg von Vera Stein beim Europäischen Gerichtshof und die Empfehlung des nationalen Ethikrats, die unsere Forderung voll unterstützt, schwer in die Defensive geraten.

Anders ist nicht zu erklären, wie diesen Sommer eine mediale Propagandawelle in Szene gesetzt wurde. Davon, nur als Kostprobe, Zitate aus 3 Zeitungsberichten:

Am 3. Juli gibt die BZ unter dem Titel: "Wenn einem so Irren begegnen - Tipps vom Psychiater Werner Platz." Natürlich nichts als dämonisierende Lügenpropaganda. In Berlin gäbe es allein 34.000 Schizophrene, die fünf Mal häufiger aggressiv seien, im Vergleich zu Gesunden. Das Ganze gipfelt in der üblichen Anleitung zur Denunziation beim psychiatrischen Blockwart. Zitat: "Frage: Wenn der Nachbar spinnt, sich über Tage immer seltsamer verhält, wie der Kettensägemann?" Antwort von Platz: "Nicht nur die Polizei anrufen, sondern auch die Sozialpsychiatrischen Dienst und die Gefahr deutlich machen! Die entscheiden dann über ein Einweisung.

Der 2. Artikel:
Am 25. Juli kündigt die Berliner Morgenpost auf Seite 1 einen Artikel unter dem Titel: "Psychiater schlagen Alarm!" an. Die Behandlung angeblich psychisch Kranker seien nach Einschätzung der Fachärzte gefährdet - kein Geld sei da. Kein Wunder, sollen sie sich doch laut dem Text 70% mehr Fälle seit 1997 zugeschanzt haben. Auf einen Psychiater kämen 20.000 Patienten. Um mehr Geld aus dem System zu pressen, ist der Präsident der deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde, Prof. Fritz Hohagen doch tatsächlich so unverschämt, in dem Artikel unverhohlen mit mehr Klinikeinweisungen zu drohen. So offen seine Gefangenen zu Geiseln einer Erpressung von mehr Geld aus der Krankenkassen zu machen, ist schon eine so dreiste Nummer, dass die Verzweifelung bei den Psychiatern groß sein muß.

Der 3. Zeitungsartkel - wir steigern uns im Renommé der Zeitungen - erscheint am 8. August in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung:
Eine halbe Seite lang schwadronniert der Autor Rainer Flühl unter dem Titel: "Verirrungen, Verwirrungen" über das, was Zitat: "in der deutschen Psychiatrie im Argen liegt." Die Psychiater drohen mit stärkerer Stigmatisierung - sicher ein Erfolg ihrer zynischen Anti-Stigma Kampagne - durch eine Zwei-Klassen-Psychiatrie. Einer zunehmenden Zahl von Psychiatern scheint es unbehaglich in ihrem Kerkersystem mit Folterregime geworden zu sein, haben sich doch laut dem Klagelied des Psychiaterpräsis, Prof. Hohagen, immer mehr Kollegen von ihm in der Psychosomatik angesiedelt, die keine geschlossene Abteilungen kennt und nur mit "informed consent" ihre Kundschaft bequascht und behandelt. Der Arbeitskreis der Chefärztinnen und Chefärzte sieht eine anachronistische Entwicklung, weil die verlogene Intergration der Zwangspsychiatrie in allgemeine Krankenhäuser ins Stocken geraten sei. Und dann kommt der Text ganz offen auf dem Punkt: Berichte über die gestiegenen Zwangseinweisungen, wie in der ARD-Sendung "W wie Wissen", sind es, die ihnen an die Nieren gegangen sind und die sie nun selber wegzuleugnen versuchen.

Auf einmal soviel Propaganda – da werden wieder ein Paar Schecks aus dem Pharma-Etat an eine Werbefirma geflossen sein. Aber das wird ihnen auch nichts nützen, wenn jetzt schon der "Spiegel" der letzten Woche am Ende der Titelgeschichte das Geschäft mit der überflüssigen Medizin berichtet, Zitat: "Im Frühjahr 2000 streikten in Israel Krankenhausärzte viele Wochen lang. Hunderttausende Untersuchungen fanden nicht statt, zehntausende Operationen wurden verschoben oder abgesagt. Die Notaufnahmen, Dialyseabteilungen, Krebsstationen und Abteilungen für Neonatalie und Geburtshilfe blieben geöffnet, ansonsten wurden die Menschen abgewiesen. Sie gingen häufer zu Familiendoktor oder blieben zu Hause. Wie eine Umfrage unter Israels größten Bestattungsunternehmen begab, hatte das Folgen: die Mortalität in fast allen Landesteilen sanken beträchtlich, es wurde seltener gestorben."

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(Musik) Moby: Honey
Länge 03:05

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