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Sendung vom 11.10.2007
Was gibt´s Neues? Fünf Berichte

Nach drei Monaten Sommerpause hat sich einiges gesammelt, über das wir berichten können:
  • Eine Dissertation von Annelie Prapolinat, warum die auf dem § 63 des Strafgesetzbuch beruhende Forensik Unrecht an sich ist.

  • Wie das Rezepturteil mal wieder gescheitert ist: Wir berichten von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle, die aufzeigt, wie das Landgericht Hannover die Folterzentren Wunstorf und Wahrendorf deckt. Dazu haben wir ein Interview mit der Pressesprecherin des OLG Celle

  • Wir stellen des neue Buch von Thomas Szasz vor: „Zwang als Heilmittel“, eine kritische Geschichte der Psychiatrie

  • Wir berichten vom Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Patientenverfügung, insbesondere die neue Selbstverpflichtung von Ärzten im sog. „Lahrer Kodex“

  • und wir berichten vom Kommentar und Protest der Psychiatrie-Erfahrenen zu der sog. „Woche der seelischen Gesundheit“ in Berlin.
01 Intro 0:49

02 Einleitung 1:11 Audio Text
03 Musik: David Sanbor – Savanna, Teil I 0:52

04 Dissertation Annelie Prapolinat zu § 63 StGB 10:18 Audio Text
05 Musik: David Sanbor – Savanna, Teil II 3:59

06 Rezepturteil: Beschluss OLG Celle incl. Interview 15:08 Audio Text
07 Musik: Chris Botti – Love is in the way, Teil I 2:55

08 Neues Buch von Thomas Szasz: Coercion as Cure 3:41 Audio Text
09 Musik: Chris Botti – Love is in the way, Teil II 1:48

10 Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Patientenverfügung 4:22 Audio Text
11 Musik: Kenny G. - Summertime 5:38

12 Parodie und Kommentar auf Wowereits „seelische Gesundheit“ 6:45 Audio Text
13 Musik: Chris Botti und Paul Hardcastle - Regroovable 1:28

14 outro 0:53

Einleitung
Länge 1:11
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siehe Einleitung oben
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Dissertation Annelie Prapolinat zu § 63 StGB
Länge 10:18
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Das erste unserer fünf Themen:

Die Dissertation von Annelie Prapolinat über § 63 Strafgesetzbuch und die Forensik.

Im Jahr 2004 hat Annelie Prapolinat eine Doktorarbeit im Fach Jura in Hamburg abgegeben, die inzwischen im Internet veröffentlicht wurde. Mit dieser Arbeit weist Frau Prapolinat nach, dass der berüchtigte § 63 der Strafgesetzbuch nicht nur Unrecht, sondern Unrechts an sich ist, also durch kein Gesetzgebungsverfahren mehr repariert werden kann. Mit dem § 63 gibt es aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens bei erwiesenen Straftaten von angeblich „Geisteskranken“ zwar wegen deren angeblicher „Schuldunfähigkeit“ keinen Schuldspruch, aber stattdessen wird auf unbestimmte Zeit in der Forensik, dem so genannten Maßregelvollzug, weggesperrt und systematisch durch Zwangsbehandlung gefoltert, bzw. permanent mit dieser Misshandlung bedroht.

Im Grunde genommen wird nach einen solchen Urteil rein willkürlich nach ärztlicher Maßgabe und regelmäßig viel später als im Knast überhaupt wieder entlassen. Es herrscht also eine extrem diskriminierende Sonderbehandlung für Menschen, die als Geisteskranke medizinisch verleumdet werden, wenn ihnen eine Straftat nachgewiesen werden kann.

Annelie Prapolinat zerbricht dieses besondere Entrechtungs-Reglement von innen heraus.

Ihre Argumentation geht dabei von der Wurzel dessen aus, was Kriminologen und Juristen überhaupt unter einer rechtswidrigen Tat verstehen. Ganz wesentlich ist dabei nämlich der Vorsatz, bzw. die Absicht mit der eine Tat begangen wird. Diese Unterscheidung ist wichtig, um irrtümliche Handlungen auch juristisch von Handlungen zu unterscheiden, die nicht irrtümlich sondern unter richtiger Einschätzung der Umstände zu Rechtsverletzungen, Verletzung anderer Menschen oder Verstößen gegen die Rechtsordnung geführt haben. Irrtum schützt zwar nicht gänzlich vor Strafe, aber zumindest vor der Schuld, die bei einer durch absichtliches Handeln herbeigeführten Rechtsverletzung entsteht.

Der völlig zutreffende Angriffspunkt von Annelie Prapolinat ist dabei die denkbar extrem verschiedene Behandlung von Irrtümern, je nach dem, ob sie einem als „geisteskrank“ Disqualifizierten oder einem für „geistesgesund“ Befundenen unterlaufen. Dabei ist schon epistemisch geradezu absurd, eine falsche Annahme dessen, was der Fall sei, noch in geistesgesund und geisteskrank zu unterscheiden, weil beides ja gerade auf einer falschen Unterstellung beruht, wie die Welt gerade beschaffen sei, bzw. was tatsächlich Realität ist.

Ein Irrtum führt dann zwar in beiden Fällen nicht nur dazu, dass keine Schuld beim Verursacher entsteht, sondern sogar dazu, dass es sich um gar keine rechtswidrige Tat handelt, da die subjektive Voraussetzung für eine solche Tat, eben ein Wissen um die Rechtswidrigkeit der Handlung, fehlt.  Während der als „geistesgesund“ befundene Verursacher dann nur den entstandenen Schaden begleichen muss, eventuell noch eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, wird der zum „Geisteskranken“ erklärte damit automatisch zu einer Gefahr per se, die eine so besondere Gefährlichkeit darstelle, dass dieser Person nahezu sämtliche Menschenrechte und bürgerlichen Grundrechte mit einem Urteil basierend auf § 63 Strafgesetzbuch abgesprochen werden. Dies führt dazu, dass sogar das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit, die persönliche Integrität, durch psychiatrische Zwangsbehandlung verletzt werden darf, durchgängig mit dem Ziel sog. „Krankheitseinsicht“ nach willkürlicher Feststellung von Ärzten herbeizufoltern. Wie willkürlich diese Feststellung ist, zeigen solche denkbar absurden Zwickmühlen-Diagnosen von Psychiatern wie „vorgetäuschte Krankheitseinsicht“.

Die Strafzeit in den Folterzentren der forensischen psychiatrischen Gefängnissen ist entsprechend rein willkürlich nach den astrologischen Prognosen der dort herrschenden Ärzte. Wie willkürlich dieses gesamte Herrschaftsregime ist, wurde gerade in der BRD besonders augenfällig bewiesen, weil Gert Postel zu einem Chefarzt eines solchen Folterzentrums ernannt wurde.

Ein schlagender Beweis dass es keines Wissens dafür bedurfte, weil er in seinen eigenen Worten nur die Sprechblasen erlernt hatte, die jeder Ziege andressiert werden können.

Wir zitieren ein Beispiel aus der Dissertation von Annelie Prapolinat, die ihre Argumentation fein ziseliert sowohl mit allen dabei in Betracht kommenden höchstrichterlichen Entscheidungen wie Diskussionssträngen in Forschung und Lehre ausgearbeitet hat.

Mit zahlreichen Literaturhinweise versehen ist Ihre Arbeit ein brillanter Beweis der Paradoxien, Inkohärenzen, ja Absurditäten in der juristischen Theorie und Praxis im Zusammenhang des § 63, die diesen zu einen durch kein Gesetz reparierbaren Unrecht machen.

Nach der Vorsatztheorie ist das Unrechtsbewußtsein Teil des Vorsatzes. Geht der Täter irrtümlich vom Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen eines  Rechtfertigungsgrundes aus, ist darin nach der Vorsatztheorie ein Tatbestandsirrtum zu sehen. § 16 I 1 findet direkte Anwendung; mangels Vorsatz liegt keine rechtswidrige Tat vor. Zu einer direkten Anwendung des § 16 I 1 gelangt auch die Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen  (die der eingeschränkten Schuldtheorie im weiteren Sinne zugerechnet werden kann), welche einen zweistufigen Deliktsaufbau vertritt und mit Ausnahme der objektiven Bedingungen der Strafbarkeit und der Schuldelemente sämtliche unrechtsbegründenden und – ausschließenden Merkmale unter den Begriff des Gesamt-Unrechtstatbestandes faßt.

Nach dieser Ansicht gehören zum Vorsatz sowohl die Kenntnis aller positiven Umstände des Tatbestandes als auch das Wissen um das Nichtvorliegen der sog. negativen Tatbestandsmerkmale, das heißt z.B. Merkmalen eines das Verhalten im konkreten Falle rechtfertigenden Erlaubnistatbestandes. Nach der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen entfällt bei irriger Annahme rechtfertigender Tatumstände damit der Vorsatz als solcher. Eine analoge Anwendung des § 16 I 1 bejaht die eingeschränkte Schuldtheorie im engeren Sinne. Die Vertreter dieser Meinung sehen die Merkmale von Tatbestand und Erlaubnistatbestand im Hinblick auf die Frage nach der Strafrechtswidrigkeit eines Verhaltens als qualitativ gleichwertig an. Mithin müsse ein Erlaubnistatbestandsirrtum die gleiche rechtliche Behandlung erfahren wie ein Tatbestandsirrtum. Die dogmatische Behandlung eines Erlaubnistatbestandsirrtums innerhalb der eingeschränkten Schuldtheorie im engeren Sinne ist allerdings uneinheitlich. So werden differierend Vorsatz, Vorsatzunrecht oder Handlungsunwert der Tat verneint. Im Gegensatz zu den drei genannten Theorien ist nach der strengen Schuldtheorie der Irrtum über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes als ein Verbotsirrtum im Sinne des § 17 anzusehen.

Annelie Prapolinat deckt im weiteren Verlauf ihrer Dissertation auf, dass es auch keinerlei Rechtfertigung dafür gibt, dass der § 63 nicht sofort abgeschafft wird. Die dafür ins Feld geführten kriminalpolitischen Erwägungen dürfen um den Preis des Rechtstaat als solchen nie die Oberhand darüber behalten, dass im Recht Gleiches gleich und Ungleiches ungleich behandelt werden muss. Eine so krasse Diskriminierung, wie sie mit dem  § 63 erhalten wird, kollidiert total mit allen Gesetzen und Konventionen zur Abschaffung von Diskriminierung. Aktuell ist es insbesondere die neue Konvention der Vereinten Nationen zur Sicherung der Menschenrechte und Würde von Behinderten, die demnächst auch in Deutschland ratifiziert werden soll.

Die Beweisführung von Annelie Prapolinats Dissertation ist einer der drei Felsen, an dem sich die Ernsthaftigkeit der Bundesdeutschen Gesetzgebung zeigen wird oder an dem diese Konvention zerschellen und zur bloßen Lachnummer verkommen wird.

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Rezepturteil: Beschluss OLG Celle incl. Interview
Autor: Irren-Offensive e.V.
Länge 15:08
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Und nun zum zweiten Thema:
Wie das Rezepturteil mal wieder gescheitert ist!

Mit großer Freude berichtete die Irren-Offensive, dass es zumindest ein Gericht gibt, das bei vormundschaftsgerichtlichen Beschlüssen rechtsstaatskonform entscheidet: das Oberlandesgericht (OLG) Celle. Erst seine Entscheidungen vom 28.6. und 10.7.2007 haben die staatlichen Terrormaßnahmen im Landgerichtsbezirk Hannover aufgedeckt und zumindest in diesem Fall auch Einhalt geboten.

In beispiellos zu nennender Weise wurde vom LG Hannover eine sofortige Beschwerde vom 14.11.2006 bzw. 8.2.2007 gegen eine von einem unteren Gericht rechtswidrig genehmigte schwere Grundrechtsverletzung durch psychiatrische Zwangsbehandlung nicht entsprechend der Schwere der Grundrechtsverletzung sofort entschieden, sondern sage und schreibe über 7 bzw. 4 Monate später erst am 11. Juni - zugestellt am 22. Juni.

Die Hoffnung des Gerichts: Weil durch die Unterstützung der Irren-Ofensive ein im Betreungsrecht erfahrener Anwalt der Verfahrensbevollmächtigte geworden war, sollten die Folterbehandlungen der Wunstorfer "Klinik" die Betroffene so weit zerstören, bis sie ihre Rechte nicht mehr wahrnehmen wolle. Diese heimtückische Verzögerungstaktik konnte allerdings dann nicht mehr fortgesetzt werden, als der Anwalt dem Gericht zu verstehen gab, dass er eine weitere Verzögerung der Entscheidung nicht mehr hinnehmen würde. Entsprechend reichte er am 21.7. eine Untätigkeitsklage beim OLG Celle ein - erst darauf wird der noch mal 10 Tage zurück gehaltene Beschluß des LG Hannover sofort abgeschickt und am 22.7. zugestellt.

Das OLG Celle hat aber mit seiner Kostenentscheidung klargestellt, dass das Land Niedersachsen mit der Beschäftigung solcher Richter am LG Hannover für diesen Rechtsbruch verantwortlich ist!

Dazu haben wir vor der Sendung ein Interview mit der Pressesprecherin des OLG Celle, Frau Dr. Springer, geführt:

René Talbot [RT]:
Können Sie uns bitte noch einmal kurz die beiden Entscheidungen des OLG Celle zur Zwangsbehandlung, die diesen Sommer gefallen sind, erläutern?

Dr. Stephanie Springer [StSp]:
Ja, das mache ich gerne. Ich fange mit der kürzeren Entscheidung an. In dem Beschluss vom 28. Juni 2007 ging es um die Frage einer möglichen Untätigkeit des Beschwerdegerichts.  Die Betroffene hatte am 8. Februar 2007 in einem Verfahren über die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für eine Zwangsbehandlung Beschwerde eingelegt. Als sie bis Ende Juni in der Sache noch keine Nachricht vom Landgericht Hannover erhalten hatte, legte sie Untätigkeitsbeschwerde beim OLG Celle ein.

Weil sich diese Beschwerde mit dem zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des Landgerichts, der der Betroffenen noch nicht zugestellt worden war, überschnitten hatte, konnte das OLG Celle offiziell nur noch die Erledigung der Hauptsache feststellen. Indirekt kam man aber aus der Entscheidung ablesen, wie das Oberlandesgericht in der Sache entschieden hätte: Die Tatsache, daß die Kosten der Staatskasse auferlegt worden sind, lässt darauf schließen, dass die Betroffene mit ihrer Untätigkeitsbeschwerde Erfolg gehabt hätte. Im Ergebnis kann man damit sagen, dass der Familiensenat des OLG jedenfalls eine Frist von  viereinhalb Monaten bei einer Entscheidung über eine Zwangsbehandlung als zu lang ansieht. 

Die zweite Entscheidung ist sehr komplex, daher möchte ich nur  die wesentlichen Punkten hervorheben. Auch der zweite Beschluß vom 10. Juni 2007 beschäftigt sich mit der Zulässigkeit von Zwangsbehandlung. Neu sind an der Entscheidung die Ausführungen des Familiensenats zur Frage des Umfangs und der Grundlage der Verhältismäßigkeitsprüfung. Wenn es um die Frage der Rechtmäßigkeit einer Zwangsbehandlung geht – im vorliegenden Fall einer medikamentösen Behandlung –, dann muß das Gericht im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung den Schaden, der ohne die beabsichtigte Behandlung eintreten könnte, mit demjenigen abwägen, der  bei Durchführung der Zwangsbehandlung entstehen könnte. In diesem Rahmen müssen alle psychischen Auswirkungen der beabsichtigten Zwangsbehandlung berücksichtigt werden und genauso die möglichen gesundheitlichen Gefahren. Im vorliegenden Fall hat das OLG entschieden, das die Vorinstanz nicht richtig abgewogen hat, weil keine hinreichende Tatsachenaufklärung vorgenommen worden sei. Das Gericht hatte sich bei seiner Entscheidung auf ein Sachverständigengutachten gestützt, das von einem - geschätzten - Arzt aus demselben Landeskrankenhaus, in dem sich die Betroffene befunden hat, gefertigt worden war. Hier hat der Familiensenat des OLG entschieden – und das ist das eigentlich Neue an der Sache –, daß im Zusammenhang mit  einer Zwangsbehandlung unbedingt ein “Blick von Außen” stattfinden muß. Das bedeutet, dass ein externer Sachverständiger umfassend prüfen muss, wie der Behandlungverlauf in der Vergangenheit war, wie die Medikation vorgenommen wurde, ob sie erfolgreich war, welche Erfahrungen im Übrigen daraus gewonnen wurden, gibt, ob es Alternativen zu der beabsichtigten Behandlung gibt, u.s.w. Auch wenn ein interner Sachverständige diese Frage alle zutreffend und umfassend prüft – woran vorliegend gar nicht gezweifelt wurde - reicht dies nicht aus. Der  “Blick von Außen”, wie der Familiensenat es formuliert, muss hinzutreten. Dieser Aspekt ist das eigentlich Neue an der Entscheidung.

[RT]: Zwei Punkte sind interessant: Erstens, es gab im ersten Urteil eine Untätigkeit vorzuwerfen. Nach welchem Zeitraum ist bei einer Zwangsbehandlung einem Landgericht eine Untätigkeit vorzuwerfen, wenn es im Beschwerdefall nicht entscheidet?

[StSp]: Das  OLG musste nicht entscheiden, ab welchem Zeitpunkt dem Beschwerdegericht spätestens eine unzulässige Untätigkeit vorzuwerfen ist, es musste nur den konkreten Fall entscheiden, d.h. ob auf jeden Fall viereinhalb Monate zu lange gewesen ist. Das hat es für den Fall einer Zwangsbehandlung bejaht. Die genaue Grenze, wann die zulässige Verfahrensdauer in eine unzulässige Untätigkeit umschlägt, kann man hieraus daher nicht ableiten.

[RT]: Im zweiten Urteil wurde ja auch die Beschwerde von der noch viel älteren Zwangsbehandlung entschieden – die war ja schon im Oktober 2006 eingelegt worden – wenn ich das recht verstanden habe – und damit war ja schon zum Zeitpunkt der Verlängerung der Zwangsbehandlung im Februar – war ja auch schon diese Zeit von viereinhalb Monaten eigentlich abgelaufen.

[StSp]: Die zweite Entscheidung umfasst insgesamt drei Maßnahmen und drei Beschwerden der Betroffenen. Der Senat hat alle drei Verfahren zusammengefasst und gemeinsam entschieden. Die Frage der Untätigkeit des Gerichts hat sich für die Parteien in diesem Fall nicht gestellt.  Ganz davon abgesehen ist der Sachverhalt  erheblich komplexer und umfasst mehrere Punkte und Beschwerden, so dass man schon aus diesem Grund keinen Vergleich zu der ersten Entscheidung ziehen kann.

[RT]: Aber auf alle Fälle ist festzuhalten, daß diese Verzögerungstaktik ein schwerwiegender Mangel ist, den das Landgericht Hannover an den Tag gelegt hat.

[StSp]: Nun, von einer "Taktik" im Sinne eines absichtsvollen  Hinauszögerns kann man sicherlich nicht sprechen und eine “Taktik” hat das OLG auch nicht gerügt. Es hat zumindest gesagt, daß der abgelaufene Zeitraum zu lang gewesen ist.

[RT]: Ja, aber es ist ein schwerer Grundrechtseingriff, der - unserer Erfahrung nach sonst, wenn man das so überblickt – eher in 14 Tagen oder 3 Wochen enschieden wird. Ich denke, das ist vielleicht ein  Zeitraum, der maximal da noch angemessen ist.
Nochmal zu der zweiten Entscheidung: das Neue, was Sie ja betont haben, heißt das, da es ja eine Entscheidung des OLGs ist, daß, wenn andere OLGe jetzt andere abweichende Entscheidungen treffen wollten, diese den Bundesgerichtshof anrufen müßten?

[StSp]: Eine unbedingt Bindung an die Entscheidungen eines anderen OLG gibt es ja nicht. Es bietet sich aber natürlich an, diese Frage, wenn sie streitig würde und ein anderes OLG das anders sehen würde, dem BGH vorzulegen.

[RT]: Ja klar, gut dann ist das die Entscheidung, die in die BRD flächig wirkt.

[StSp]: Ja.

[RT]: Wollen wir das mal hoffen.
Wir wissen von der Entscheidung des OLG Celle im Jahr 2005, dass damals die Klinik angewiesen wurde, bis zu einer Entscheidung des OLG Celle keine Zwangsbehandlung durchzuführen. Wissen Sie von Bestrebungen im Einzugsbereich des OLG Celle, bei Widersprüchen gegen die Zwangseinweisung generell keine Zwangsbehandlung durchzuführen? Denn mit einer Zwangsbehandlung erfolgt ein gravierender Grundrechtseingriff, mit dem die Integrität eines Menschen verletzt wird und erhebliche Schadensersatzforderungen ausgelöst werden können.

[StSp]: Damals war die Sache ein bißchen anders: Das OLG hat nicht entschieden, dass bis zu einer  Entscheidung über die Beschwerde keine Zwangsbehandlungen durchgeführt werden dürfen. Bei der damaligen Entscheidung ging es um die Frage, ob es eine gesetzliche Grundlage von Zwangsbehandlung im Betreuungsrecht gibt. Das OLG Celle hat die Entscheidung ausgesetzt und diese Frage dem BGH vorgelegt. Dieser hat darauf hin entschieden, dass die gesetzlichen Grundlage im bürgerlichen Gesetzbuch ausreichend sind. Das OLG Celle hatte also nicht grundsätzlich entschieden, dass stets auszusetzen ist. Es hat einen Vorlagebeschluß gemacht und konnte nicht in der Sache entschieden. Diese Entscheidung ist aber durch die BGH-Entscheidung überholt. Das OLG Celle hat sich deshalb auch in späteren Beschlüssen auf diese BGH-Entscheidung gestützt und im einen oder anderen Fall an der Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung fest gehalten.

[RT]: Wobei es weiter umstritten ist. Es war ja in der FamRZ – sozusagen dem Flagschiff der Veröffenlichung in familienrechtlichen Fragen – ein großer Artikel von Prof. Narr dagegen geschrieben worden: dem BGH hat er in mehreren Punkten unrichtige Ansicht bescheinigt und dem wurde  nicht widersprochen. Ich denke, ganz entschieden ist es doch noch nícht, oder wie sehen Sie das?

[StSp]: Es gibt in der Lehre und Rechtsprechung sehr häufig juristische Streitigkeiten, das ist ganz klar. Auch bei der Frage der gesetzlichen Grundlage von Zwangsbehandlungen gibt es weiterhin unterschiedliche Auffassungen. Das OLG Celle kann sich aber ebenso wie die übrigen Gerichte auch auf die Entscheidung des BGH stützen, wenn es dessen Ansicht teilen. Sollte ein Gericht oder eine Partei dagegen verfassungsrechtliche Bedenken haben, müsste letztlich das Bundesverfassungsgericht eine endgültige Entscheidung treffen.

[RT]: In dem hier vorliegenden Fall ging es erstmal darum, daß die Sachaufklärung nicht korrekt war und deswegen sowieso keine Verhältnismäßigkeit gewahrt war.  Somit bestand gar keine Möglichkeit, das verfassungsrechtlich überprüfen zu lassen, wenn ich das richtig verstehe?

[StSp]: Genauso ist es. Wie ich es bereits ausgeführt habe, muss sich das Gericht bei der Sachaufklärung, auf deren Grundlage die Verhältnismäßigkeitsprüfung erfolgt, auf ein umfassendes Gutachten eines geeigneten Sachverständigen stützen.  Dieser Sachverständige  – und das ist der neue Dreh – darf eben nicht ein Arzt aus dem selben Landeskrankenhaus sein, in dem der oder die Betroffene behandelt wird. 

[RT]: Es ist ja eine Form der Selbstkontraktion, wenn die Klinik daran weiter verdient und sich selber die Zwangsbehandlung sozusagen zuordnet.

[StSp]: Ich denke, es ist kein Fall von Selbstkontraktion, weil der behandelnde und der begutachtende Arzt -  so ergibt es sich schon aus dem Gesetz – nicht dieselbe Person sein dürfen. Es geht aber noch über ein solches Verbot hinaus, denn entscheidend ist, dass der Gutachter ein Externer ist. Man kann, denke ich, nicht pauschal sagen, dass ein Arzt aus einer anderen Abteilung verpflichtet ist oder sich verpflichtet fühlt, seinen behandelnden Kollegen zu stützen. Aber um jedem Verdacht zu begegnen und um diesen “Blick von Außen” zu gewährleisten, fordert der Familiensenat im Interesse des Betroffenen einen außenstehenden Sachverständigen.

[RT]: Wobei, die Bezahlung, wenn sie vom gleichen Träger kommt, schon aus der selben Quelle fleißt.
Gut, Frau Dr. Springer, dann bedanke ich mich ganz herzlich für das Gespräch.

Verantwortlich ist also das Landgericht Hannover.
Aber auf wessen Wunsch hat es diese grausamen Entscheidungen getroffen: der dafür gerichtlich installierten Zwangs-"Betreuerin" in engster Kooperation mit dem Folterzentrum Wunstorf.

Das Martyrium der Betroffenen:
Seit dem 22. Oktober 2005 wurde die Betroffene durchgehend im Folterzentrum Wunstorf - irreführend als "Landeskrankenhaus" bezeichnet - gefangen gehalten. Erst am 24.7.2007 wird sie freigelassen. Das OLG Celle hat die Bedeutung der begangenen Rechtswidrigkeiten schnell erkannt und mit sofortiger Wirkung die seit 2005 andauernde Folterbehandlung beendet.
Selten hat ein Folteropfer, das so lange extrem schweren bewußtseinsverändernden Drogen ausgesetzt war wie die Betroffene, so eine schwere Mißhandlung ungebrochen überlebt und nicht dazu zwingen lassen, sich dem Willen seiner Folterer zu unterwerfen.

Dass im Landgerichtsbezirk Hannover noch andere Folterzentren betrieben werden, zeigen übrigens die Presseberichte dieses Sommers über das Folterzentrum Wahrendorff: "Stationsleiter misshandelt Patienten" berichte die tageszeitung am 31.7.2007; Zitat daraus: "..."Halts Maul", pflaumt der Stationsleiter den Patienten an. Als der Mann nicht reagiert, sprüht er ihm Pflegeschaum - eigentlich zur Reinigung des Genitalbereichs gedacht - in den Mund...."

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Neues Buch von Thomas Szasz: Coercion as Cure
Autor: Sylvia Zeller
Länge 3:41
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Rezension von Thomas Szasz neuem Buch , “Coercion As Cure”, New Jersey 2007

Seit seiner 1961 veröffentlichten, bahnbrechenden Studie The Myth of Mental Illness, in welcher er erstmalig den Gedanken einer sozialen Konstruktion von sogenannter „Geisteskrankheit“ formulierte, hat Thomas Szasz in einer überwältigenden Fülle von Schriften die Begriffe der Psychoanalyse und Psychiatrie radikal in Frage gestellt, dekonstruiert und der Ideologiekritik unterzogen.  Szasz, selbst emeritierter Professor für Psychiatrie in Syracuse im Staat New York und mittlerweile 87 Jahre alt, hat nun ein neues wichtiges Buch geschrieben, „Coercion as Cure“, Untertitel : Eine kritische Geschichte der Psychiatrie.

Ausgehend von einem positivistischen Krankheitsbegriff, ist nach dem Verständnis von Szasz der Begriff einer mentalen Krankheit schon deshalb nicht zu halten, weil er nicht objektivierbar ist. Es scheint ja so zu sein, dass Begriffe, Grundlagen und Therapiemodelle aus dem Bereich der Humanmedizin auf den psychischen Bereich übertragen wurden. Tatsächlich aber, so stellt Szasz dar, hat sich die Psychiatrie auch ganz eigene Bereiche, Prinzipien und Begrifflichkeiten geschaffen, die erkennen lassen, dass es sich hier nicht um Heilungskonzepte handelt, sondern regelmäßig darum, unerwünschtes Verhalten auszugrenzen und abzustrafen.

Dementsprechend ist der Zwang als Mittel der „Diagnose“ und „Behandlung“ der Psychiatrie inhärent. Dies spiegelt sich bereits in der in der Psychologie üblichen generellen Unterscheidung und Klassifizierung von psychischen Erkrankungen als wahlweise „Neurose“ oder „Psychose“: Ein Neurotiker soll der sein, der unter seinem eigenen Verhalten leidet, ein Psychotiker der, dessen Verhalten von seiner Umwelt als problematisch erlebt wird. Diese Unterscheidung ist signifikant und zeigt Psychiatrie als Herrschaftsreflex und Ordnungsmacht zur Kontrolle unerwünschten Verhaltens. Indem Verhalten medizinalisiert, als Krankheitsbild aufgefasst und damit objektiviert wird, kann es in den therapeutischen Rahmen gespannt werden.  Die fundamentalen Widersprüche sowohl zwischen den moralischen Grundlagen medizinischer Behandlung als auch der Einhaltung der Menschenrechte einerseits und der psychiatrischen Praxis auf der anderen Seite sind nur deshalb nicht offensichtlich, weil etwa ab den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts Zwang in Form von Einsperren, und Behandlungen gegen den erklärten Willen der Patienten als Hilfe und Heilbehandlung umdefiniert wurden.  

Szasz hebt darauf ab, dass der Psychiater mit seiner Berufsausübung grundsätzlich dem Prinzip widerspricht, dass der erste Grundsatz des Arztes lautet, dass man den Patienten nicht schaden dürfe. Primum non nocere! Gegen Zwangsbehandlung sollte das Gesetz schützen, doch dieses Gesetz erlaubt psychiatrische Zwangsbehandlung zum Zweck der Ausgrenzung und Eliminierung unerwünschten Verhaltens. Psychiatrie kann nicht den Anspruch erheben, Teil des Gesundheitssystem zu sein.

Wie sich dieses Paradigma jeweils historisch ausgeprägt hat, beschreibt Szasz in einer schonungslosen Abrechnung mit der Zwangspsychiatrie. Nach einem Kapitel über die therapeutische Einsperrung und die frühe Entstehungsgeschichte der Psychiatrie untersucht er schwerpunktmäßig die Methoden der Psychiatrie im 20. Jahrhundert: Schlaftherapie, Elektroschock und Lobothomie. In zwei abschließenden Kapiteln befasst er sich mit psychiatrischen und psychodelischen Drogen.

Für die Dissidentenfunk-Sendung im nächsten Monat bemühen wir uns um ein Interview mit Thomas Szasz zu seinem neuen Buch.

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Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Patientenverfügung
Autor: Rene Talbot
Länge 4:22
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Na Sylvia, was gibt´s Neues von der Patientenverfügung zu berichten?

Da hat sich was interessantes bei den Ärzten getan und zwar will eine Gruppe von ihnen sich jetzt selbst verpflichten, die Selbstverständlichkeit endlich wahr zu machen, den Willen eines Patienten nicht zu brechen, sondern zu beachten. Darüber berichtet

Die Welt am 28. September 2007:

Bei Patientenverfügungen rücken Ärzte von Union ab
"Lahrer Kodex" fordert Priorität für Willen der Kranken

Berlin - Im Streit über Patientenverfügungen zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen gehen angesehene Mediziner in die Offensive. In Berlin wurde am Donnerstag eine Erklärung vorgestellt, mit der sich Ärzte von sich aus verpflichten, den vorab schriftlich verfügten Willen von Patienten zu befolgen, die sich nicht mehr äußern können. In dem "Lahrer Kodex", der am Herzzentrum im badischen Lahr entwickelt wurde, heißt es: "Ich verpflichte mich, den Willen meiner Patienten zu achten und ihm im Rahmen des medizinisch wie rechtlich Möglichen zu entsprechen. Falls ein Patient entscheidungsunfähig ist, werde ich eine vorher vorgelegte Patientenverfügung respektieren, sofern diese aktuell und auf die gegebene Situation anwendbar ist."

Damit nehmen die Mediziner indirekt Partei in der Debatte des Bundestags, der sich demnächst zwischen drei Gesetzentwürfen entscheiden soll. Die Ärzte distanzieren sich von dem Entwurf aus der Union, wonach eine Patientenverfügung zum Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen nur dann verbindlich sein soll, wenn die Krankheit "einen irreversibel tödlichen Verlauf" genommen hat. Gegenüber dieser Reichweitenbegrenzung heißt es im Kodex: "Eine prinzipielle Beschränkung der Reichweite von Patientenverfügungen auf bestimmte Krankheitsbilder oder -zustände lehne ich ab. Eine solche vorzunehmen, ist nur dem Patienten selbst vorbehalten."

Weil die Kodex-Unterzeichner die Rolle der Vormundschaftsgerichte auf wenige Streitfälle begrenzen wollen, entfernen sie sich auch vom zweiten Unionsentwurf, der den Gerichten mehr Gewicht beimisst. Daher deutet der Kodex in die Richtung des vom SPD-Innenpolitiker Joachim Stünker verfassten Entwurfs, nach dem Verfügungen stets bindend sind, sofern sie der aktuellen Lage des Patienten entsprechen und keine Willensänderung zu erkennen ist.

Unterstützt wird der Kodex unter anderem vom ärztlichen Leiter des Deutschen Herzzentrums Berlin, Roland Hetzer, vom Berliner Palliativmediziner Christof Müller-Busch, der früheren Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin, dem Schauspieler Michael Lesch, der grünen-nahen Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Krankenkasse DAK. Die Initiatoren hoffen, dass viele Ärzte per Unterzeichnung signalisieren, dass "der Wille des Patienten oberste Priorität hat und die Verfügung verbindlich ist", wie der Leiter der Rettungsstelle am Berliner Urban-Krankenhaus, Michael de Ridder, erklärte. Zwar entspricht der Kodex in weiten Teilen den Richtlinien der Bundesärztekammer, doch anders als diese halten die Unterzeichner eine gesetzliche Regelung für erforderlich. Diese, so de Ridder, müsse "liberal" sein und vom Patienten ausgehen.

Durch diese Erklärung am Ende wird deutlich, dass es sich bei dem Vorgehen dieser Ärztegruppe um eine Unterstützung für den Gruppenantrag von Stünker, Montag, Kauch und Jochimsen handelt. Überraschend ist nur, dass auch Frau Däubler-Gmelin sich dieser Sichtweise nun angeschlosssen hat, da sie bisher gegen eine neue gesetzliche Regelung war.

Durch die Pressekonferenz und die entsprechende  Wiedergabe in den Medien, ist anzunehmen, dass die Gruppe die Gefahr abgewehrt hat, dass ihr Vorstoß Vorwand werden könnte, zu behaupten, es werde jetzt gar keine gesetzliche Regelung der Patientenverfügung mehr benötigt, da die Ärzte selber alles auf freiwilliger Basis geregelt hätten. So gesehen würde nämlich der Lahrer Kodex zu einer perfide Zementierung einer  Reichweitenbegrenzung durch die Hintertür, denn z.B. Psychiater werden nie und nimmer diesen Kodex unterzeichnen, basiert ihr handeln doch zentral gerade auf der Grundlage, Gewalt gegen ihre Opfer anzuwenden.

Der nächste Schritt in dem Gesetzgebungsverfahren wird sein, dass endlich die drei existierenden Gruppenanträge auch offiziell im Bundestag eingebracht werden.

Eine Nachfrage beim Abgeordneten Ihres Vertrauens kann da nur förderlich sein, damit endlich die Karrre aufs Gleis geschoben wird.

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Parodie und Kommentar auf Wowereits „seelische Gesundheit“
Autor: Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg
Länge 6:45
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Als letztes Thema heute:
Seelische Gesundheit, dazu meint Klaus Wowereit in einem Grusswort zu einer Aktionswoche als Schirmherr sprechen zu können. Was das sein soll, wird in einer Parodie auf dieses Grusswort deutlich, die auf einem Flugblatt vor der Pressekonfernez und der Hauptveranstaltung am 9. Oktober vom Landesverband Psychiatrie-Erfahrener Berlin-Brandenburg verteilt wurde.
Wir zitieren:

"Berliner Aktionswoche" der Heterosexualität
Grußwort (wie wir es lesen)
Klaus Wowereit, Regierender Bürgermeister von Berlin, zur „Berliner Aktionswoche“ der Heterosexualität vom 08. bis 14. Oktober 2007

Der große chinesische Philosoph Laotse hat gesagt: „Der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt“. Die Berliner Aktionswoche der Heterosexualität ist ein solcher erster Schritt, denn sie dient der Aufklärung über Homosexualität – ein Thema, das leider immer noch in hohem Maße Tabu beladen ist. Umso wichtiger ist die Initiative für eine solche Aktionswoche, die sich an ein Fachpublikum ebenso wie an interessierte Bürgerinnen und Bürger wendet und bei ihnen das Bewusstsein für den besonderen Wert der Heterosexualität schärfen soll.

Dieses Bewusstsein ist leider in den wenigen Jahren seit die World Psychiatric Organisation 1973 mit knapper Mehrheit beschloss, Homosexualität aus dem Katalog der psychischen Krankheiten zu streichen, immer mehr verloren gegangen.  Trotzdem versuchen bis heute engagierte Vertreter und Vertreterinnen psychiatrischer und katholischer Seelsorge, der Homosexualität als schwerer Persönlichkeitsstörung, die mit grossem Leiden für die Betroffenen und die Gesellschaft verbunden ist, erneut Geltung zu verschaffen.

Dieses Bemühen reiht sich nahtlos in andere Anstrengungen ein, Menschen dabei zu unterstützen, ein normales Leben in der Gemeinschaft führen zu können. Nicht selten müssen die Betroffenen dabei zu ihrem Glück mit Gewalt gezwungen werden. Aber diese Strapazen nehmen die Mitarbeiter des psychiatrischen Versorgungssystems gerne auf sich, um ihren wichtigen Beitrag zur Volksgesundheit zu leisten. Dabei können sie jederzeit mit grosser Unterstützung aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft rechnen.  

In der Aktionswoche erhalten Interessierte vielfältige Möglichkeiten, sich über Homosexualität sowie über Möglichkeiten der Prävention und der Therapie zu informieren. Zahlreiche Informationen findet man auch in der vorliegenden Broschüre. Über 50 Berliner Einrichtungen und Initiativen stellen sich vor, bieten Hilfe an. Dieses Angebot sollte aufgegriffen werden.

Die Initiatoren sagen zu Recht: „Es gibt keine Gesundheit ohne Heterosexualität“. Für diesen Gedanken zu werben, ist daher ein zentrales Anliegen der ersten Berliner Aktionswoche der Heterosexualität. Ich wünsche dem Projekt einen erfolgreichen Verlauf und allen Ratsuchenden Hilfe und Unterstützung. Mein Dank gilt den Organisatoren dafür, dass sie den so wichtigen ersten Schritt gegangen sind. Ich bin sicher: Wenn es alle wollen und ihren Teil dazu beitragen, dann werden weitere Schritte folgen.    
Original, siehe: http://www.aktionswoche.seelischegesundheit.net

 

Auf der Rückseite des Flugblatts wird dazu kommentiert, wir zitieren:

Genausowenig wie es je eine psychische Krankheit gab, gibt oder geben wird,
gab, gibt oder wird es je seelische Gesundheit geben.       
Genausowenig wie der regierende Bürgermeister Wowereit sich zum Heterosexuellen "therapieren" lassen wollte, als es bis zu der Zeit seines Coming Out eine psychische Krankheit war, dürfen Menschen z.B als "Schizophrenie" verleumdet und mit psychiatrischer Zwangbehandlung gefoltert werden:

"Schizophrenie ist ein strategisches Etikett, wie es "Jude" im Nazi-Deutschland war. Wenn man Menschen aus der sozialen Ordnung ausgrenzen will, muß man dies vor anderen, aber insbesondere vor einem selbst rechtfertigen. Also entwirft man eine rechtfertigende Redewendung. Dies ist der Punkt, um den es bei all den häßlichen psychiatrischen Vokabeln geht: sie sind rechtfertigende Redewendungen, eine etikettierende Verpackung für "Müll"; sie bedeuten "nimm ihn weg", " schaff ihn mir aus den Augen", etc. Dies bedeutete das Wort "Jude" in Nazi-Deutschland, gemeint war keine Person mit einer bestimmten religiösen Überzeugung. Es bedeutete "Ungeziefer", "vergas es". Ich fürchte, daß "schizophren" und "sozial kranke Persönlichkeit" und viele andere psychiatrisch diagnostische Fachbegriffe genau den gleichen Sachverhalt bezeichnen; sie bedeuten "menschlicher Abfall", "nimm ihn weg", "schaff ihn mir aus den Augen".“          
Thomas Szasz zitiert aus: "Interview with Thomas Szasz" in The New Physician, 1969

Homosexualität wurde 1973 aus dem Internationalen Katalog der psychiatrischen Erkrankungen, dem Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, gestrichen. Bis dahin war Homosexualität eine „psychische Krankheit“. Beispielhaft wurde offensichtlich, dass diese Entscheidung nicht im Allergeringsten etwas mit Wissenschaft oder Medizin zu tun hat, sonderes ausschließlich auf politischem Druck gegen ein Establishment zustande kam. Sie nahm ihren Ausgang beim Kongress der Amerikanischen Psychiatrischen Vereinigung (APA) in San Francisco, der Stadt also, die sich damit rühmt, die höchste Bevölkerungsdichte an Schwulen  in aller Welt zu beherbegen. Bei dieser Gelegenheit wurde das Kongresszentrum von San Francisco, wo die Versammlung der APA stattfand, wortwörtlich von Aktivisten der Gay-Community eingenommen. Sie verhinderten den normalen Sitzungsablauf. Die Beiträge von Psychiatern mit anerkanntem Renommee, die sich der Erforschung und Behandlung der Homosexualität widmeten, wurden boykottiert. Die Wende war dabei noch nicht ganz eindeutig und erlangte lediglich 58 Prozent der Voten. Die Streichung der Homosexualität aus dem Katalog psychischer Erkrankungen war folglich eine putschistisch erzwungene politische Entscheidung.

In den folgenden Jahren wurde die Homosexualität aus der Liste der Erkrankungen der Weltgesundheitsorganisation, 1986 auch die Pädophilie, also die sexuelle Anziehung zu Kindern, gelöscht.

Wir erwarten von Herrn Wowereit, dass er entweder den Schwachfug der Ghostwriter seines Grußworts öffentlich zurücknimmt, oder zumindest in Zukunft solche Grußworte unterläßt. Stattdessen sollte er sich an der Beseitigung der radikal diskriminierenden Entrechung per Gesetz via PsychKG, Zwangsbetreuung und  § 63 StGB aktiv beteiligen, so wie er auch den § 175 als ein Schandmal des Rechtsstaats erkannte.

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